Bukowski – eine musikalische Lesung mit Rainer Huppenbauer, Thomas Wittenbecher und Patrick Zörner, 16. April, Objekt5, 20 Uhr, www.salonpernod.de
Thomas Wittenbecher, Jahrgang 1961, ist ein Hansdampf in Halles musikalischen Gassen. Neben Film-Kompositionen, beispielsweise für die Komödie „Schultze gets the blues“, ist er auch für Klavier, Gesang und Akkordeon bei der „Mediterran-Chanson-Klassik-Tango“-Band Salon Pernod zuständig. Am 16. April ist Wittenbecher Teil eines Charles Bukowski-Abends im Objekt 5. Wir haben den Musiker vorab zum Interview gebeten
Lieber Thomas Wittenbecher, die Ankündigung des Bukowski-Abends spricht von Ähnlichkeiten. Fangen wir also so an: Was haben Charles Bukowski, Barack Obama, Eric Burdon, Van Morrison und Walter Ulbricht gemeinsam?
Das Stück ist eine Fiktion, die mit der „Erschaffung“ von Barack Obama als „abhörenden“ Arbeitskollegen im Postamt von Pasadena, im Jahre 1964, beginnt. Bukowski arbeitete dort als Briefsortierer, das Stück endet dann mit dem Tod von Bukowski im Jahre 1994. Die frei erfundene Geschichte hätte aber durchaus so passieren können.
Durch die Einbindung wahrer Ereignisse und deren Verknüpfungen mit Bukowskis Leben und Ansichten, wirkt der Text so, als ob es tatsächlich so war. Die Musikstücke runden die Story ab. Da gibt es Musik von den Beatles, John Mellencamp, Steve Earle, Calexico, Townes van Zandt, Jacob Dylan oder aus dem Film „Schultze get’s the blues“. Die Gemeinsamkeiten sind die Unterschiede der genannten Personen, die das Stück zu Tage bringt.
Wie kamen Sie zu Charles Bukowski? Worin besteht der Spirit, den auch die musikalische Lesung in den Vordergrund stellen wird?
Die Idee und das Stück stammen nicht von mir, sondern von Rainer Huppenbauer – wie der zu Bukowski kam, erfährt man am 16. April im Objekt 5. Das mit dem Spirit ist eine schwere Frage. Möglicherweise ist es eine relativ einfache Sicht auf den Zeitgeist der letzten 40 Jahre des 20. Jahrhunderts – und auch auf unserer Zeit heute.
Höre ich Bukowski, denke ich an die Destruktion des American Way of Life. Kann man mit Bukowski verstehen, warum ein Mann wie Donald Trump es bis zum US-Präsidenten geschafft hat?
Ja. Im Stück heißt es dazu: „Ich war im Jahr 1994, als Bukowski starb, das erste Mal in den USA. Das ist jetzt fünfundzwanzig Jahre her. Ich kannte damals weder Carpenter Mike, er war noch nicht erfunden, noch Barack, aber man kannte Donald Trump.“ Und so verwirklichte sich in den letzten Jahren erneut ein Wort unseres Helden, das da lautet: „Das Problem dieser Welt ist, dass in-telligente Menschen voller Selbstzweifel und die Dummen voller Selbstvertrauen sind.“
Damit ist das Regieren von Trump wohl auf den Punkt gebracht.
Sie sind in so vielen künstlerischen Projekten tätig, auch am 1. Mai und am 6. Juni sind Sie in Halle zu erleben: Wie? Wo? Wann? Und warum?
Am 1. Mai musizieren wir, also Patrick Zörner und ich als Salon Pernod, traditionell in der Villa del Vino. Betreutes Trinken mit Salon Pernod. Wir werden einen Mix aus swingender Jazz- und Salonmusik, Film- und mediterrane Musik, Schlager der 20er und 30er Jahre, Tango und klassische Miniaturen darbieten. Am 6. Juni musizieren wir privat. Unsere Termine sind natürlich auf der Homepage einzusehen.
Sie sind 1961 in Halle geboren. Eine kleine Frage, die es bestimmt in sich hat: Was sehen Sie vor ihrem geistigen Auge, wenn Sie das Halle in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit dem Halle 2020 vergleichen?
Ich sehe und rieche die Diva in Grau mit ihrem Zerfall, Gestank und ihrem morbiden Charme. Ich fühle noch die Ohnmacht gegenüber politischer Dummheit, der widerlichen und kaum zu ertragenden Überheblichkeit der gesamten Dienstleistungsbranche, aber auch die Geborgenheit in einem Kreis der Wahlverwandtschaften von Kunst – und Kulturschaffenden aller Couleur.
Und was sehen Sie, wenn sie an Halle im Jahre 2050 denken? Gerne können Sie Ihre Wünsche einfließen lassen.
Da alles mit allem verbunden ist, verweise ich auf dieses Gedicht namens „Die Bitten der Kinder“ von Bertolt Brecht aus Jahre 1951: „Die Häuser sollen nicht brennen. / Bomber sollt man nicht kennen. / Die Nacht soll für den Schlaf sein. / Leben soll keine Straf sein. / Die Mütter sollen nicht weinen. / Keiner sollt töten einen. /
Alle sollen was bauen. / Da kann man allen trauen. / Die Jungen sollen’s erreichen. / Die Alten desgleichen.“
Vollenden Sie bitte diesen Satz: „Ohne Kunst und Kultur…
… wäre ein Leben möglich, allerdings wäre es sinnlos. Und zudem wäre die Welt öde, krank und langweilig. Oder mit Johann Wolfgang von Goethe gesprochen: „Man soll alle Tage wenigstens ein kleines Lied hören, ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige Worte sprechen.“
Theater-, Museums- und Konzertbesuche können sich positiv auf die körperliche und geistige Gesundheit auswirken und dadurch zu einer höheren Lebenserwartung beitragen. Ein Kulturgenuss a day, keeps the doctor away!
Und aus welchem weiteren Grund sollte man am 16. April unbedingt ins Objekt5 kommen?
Weil es dort schön ist und man gerade an diesem Tag überraschende Einsichten vermittelt bekommt, die verbunden mit aufregender Musik, unplugged dargeboten, so noch nie zu hören waren – also die Einsichten und die Musik.
Text: Mathias Schulze