Lydit, 14. August, Objekt 5, 20 Uhr, alle Infos: www.lydit.net
Was die hallesche Künstlerin Lydia Viloria Romero alias Lydit da anmischt, ist richtig heiß: Auf ihrem neuen Album, das sie im Juli im Objekt 5 zur Uraufführung bringt, mischt sie Pop, Hip-Hop, Reggae, Elektro, Soul und Funk. Abgesehen davon ist Lydit auch noch als Schauspielerin beim diesjährigen Apron-Sommertheater zu sehen. Mathias Schulze hat die Sängerin zum Gespräch gebeten Hallo, Lydit, Sie sind 2010 aus dem Vogtland zum BWL-Studiums nach Halle gekommen. Was haben Sie zuerst empfunden als Sie hier waren? Mein erster Eindruck von Halle war: Na ja, zumindest ist es nicht weit weg von Leipzig. Klingt nach „Liebe“ auf den ersten Blick! (lacht) Tja, was soll ich sagen? Nun lebe ich bereits 13 Jahre hier. Ich habe mich in die Stadt und deren Bewohner verliebt und fahre täglich mit dem Rad. Die Stadt ist doch grüner, als ich anfangs dachte und für mich die perfekte Mischung aus „heimeligen“ Dorfcharakter, wo jeder jeden kennt und einer Großstadt, die kulturell alles bieten kann. So kam es dann auch, dass ich es in dieser ganzen Zeit nur dreimal nach Leipzig geschafft habe. Sind Sie überrascht, dass Sie heute noch in Halle sind? Tatsächlich überrascht mich die Stadt immer wieder, sowohl positiv als auch negativ. Gerade im Bereich Kulturmanagement, in dem ich hier hauptsächlich tätig war, lernt man viele neue Facetten und Bewegungen dieser Stadt kennen. Aber auch beim Spaziergang am Steintor entlang – mal darf man lange sitzen und ausgiebig feiern oder Betonklotze skaten, mal schickt einen das Wachpersonal vom Platz. Ich glaube, wenn man bewusst seine Umwelt wahrnimmt, kann man auch bereits bekannte Dinge, immer wieder neu entdecken. Orte verändern sich, Stimmungen verändern sich. Und ja, es bleibt wohl spannend, wenn man hinschaut. Vom BWL-Studium zur selbstständigen Künstlerin. Ist das nicht ein ungewöhnlicher Weg? Welche Vorteile der halleschen Szene haben Sie kennengelernt? Ich denke, in gewisser Weise sind wir alle kreativ und müssen es auch sein, daher ist jeder ein gewöhnlicher oder ungewöhnlicher Weg. Mein Studium hat mir in meinem Chaos geholfen, mich besser zu strukturieren. Wenn ich irgendwann mal „big in business“ sein will, muss ich die Wirtschaft auch verstehen. So war mein Ansatz. Ein Quereinstieg in die hallesche Kunst- und Kulturszene geht gut, wenn man sich engagiert und kooperiert. Der Buschfunk funktioniert wie auf dem Land. Spielstätten, Veranstaltende und Akteure und Akteurinnen wirken miteinander und helfen sich aus, beispielsweise in der „IG der freien Musikveranstaltenden Halle“. Wir wollen die Nachteile nicht verschweigen. Nachteil der halleschen Szene sind teilweise persönliche Befindlichkeiten, ein erschwerter Zugang zu Freiräumen und strukturelle Hürden. Es bedarf also auch hier einen „kreativen Umgang mit Zwängen“, um René Rebenstorf zu zitieren. Was treibt Sie auf die Bühne? Emotionen. Ich mag das Kribbeln im Bauch, und ich liebe es zu unterhalten, in welcher Form auch immer. Lachen, Weinen, Tanzen, Gruseln. Ich habe sehr viel Zeit mit Angst verschwendet. Viele Jahre hatte ich es schwer vor Publikum zu sprechen, geschweige denn zu singen. Ohne die Unterstützung und das gemeinsame Singen im Gospelchor Salttown Voices hätte ich mich vielleicht noch heute in der letzten Reihe versteckt. Für mich fühlt sich das Singen und Performen auf der Bühne nach einem „Nackigmachen“ an – was es auch ein Stück weit ist. Die Übung hilft dabei, sich wohler zu fühlen, die eigenen Sachen lieben zu lernen und sich selbst nicht ganz so ernst zu nehmen. Vielleicht ist der Beginn ab und an ein „Fake it, ‘till you make it.“ Sie sind Autodidaktin, das gilt für das Schauspiel und auch für die Musik. Was sind die Vor- und Nachteile eines solchen Ansatzes? Die Vorteile sind, dass ich einfach mache, worauf ich Lust habe und meine Mentoren und Mentorinnen wählen kann. Der Nachteil ist, dass man ohne professionelle Ausbildung in vielen Projekten keine Chance hat. Dieses Verfahren macht es natürlich einfacher in der Auswahl und ermöglicht denjenigen den Vortritt, die viel Zeit und Geld in Ihre Qualifikation investiert haben. Ich profitiere von meinen Kontakten, die ich auf meiner Lernreise gemacht habe. Oft beginnt es mit dem Spielen – und mutiert dann zu tollen Projekten. Woher kommen die Inspirationen für die Texte und für die Musik? Die meiste Inspiration ziehe ich tatsächlich aus anderen Menschen. Musizierende, Comedians, Jam Sessions wie die „DoSe“ in der Volksbühne Kaulenberg oder die „MoMa“ im Charles Bronsen inspirieren mich immer wieder auf’s Neue. Manchmal beginnt es mit Langeweile oder einer schlaflosen Nacht. In diesen Momenten ploppt eine Idee auf. Methoden zum kreativen Schreiben erlernte ich über Workshops, die darauf hinzielen, dass man ohne Filter schreibt. Ohne Filter? Wir alle zensieren uns schon bevor irgendwas nach außen gelangt. Deshalb liebe ich Improvisationen in der Musik und im Theater, die diese radikalen Filterfunktionen ein Stück weit abbauen. Die Bereiche strahlen ungemein ineinander über. Manchmal ist es auch ein tolles Buch, das ich lese. Beispielsweise „Periode ist politisch“ von Franka Frei. Schon nach wenigen Seiten hatte ich bereits die ersten Zeilen des Songs „Menstruation“ geschrieben. Oder ich höre im Loop einen neuen Beat von meinen Produzent „Rdypsilon“ und fasse mir Stift und Heft. Ich konsumiere Kunst und Kultur, die mich wiederum dazu veranlassen, zu gestalten. So entstand ein Potpourri verschiedener Genres auf diesem Album – jazziger Sprechgesang, ein wenig Volksmund auf Trap, ein wenig Dark-Talk auf Reggae, ein paar Mutti-Grüße auf Boom-Bap.
Text: Max Feller