Pankow, 28. Februar, Leipziger Anker, 21 Uhr
Die Band Pankow, die sich 1981 in der DDR gründete und mit dem Song „Langeweile“ wohl auch denen bekannt ist, die ihre Lauscher nur an Charts halten, ist derzeit auf Abschiedstour. Am 28. Februar dürften im Leipziger Anker Tränen kullern. Grund genug, Sänger André Herzberg zum Interview zu bitten. Ein Gespräch über Familie, das heutige Musikgeschäft und über das Leben nach dem Ruhm
In der Pressemitteilung zur Abschiedstour ist von einem „Wir-Gefühl“ zwischen Band und Fans die Rede. Eben dieses Gefühl soll es vielleicht erleichtert haben, „in der Welt klar zu kommen.“ Horchen wir rein: Welche Rückmeldungen geben Ihnen die Weggefährten? Welche Haltungen, Überzeugungen, Erschütterungen verbindet die Pankow-Familie?
Na, das ist eine Riesenfrage. Unterm Strich: Wohl dem, der eine Familie hat, die einigermaßen funktioniert, auf die er sich in guten, wie schlechten Tagen berufen kann. Nach 44 gemeinsamen Jahren mit Pankow kann ich das behaupten. Das ist die längste Zeit, die ich je mit einer, meiner Familien zugebracht habe. Ich weiß sehr gut, woher ich komme, das gibt mir Halt. Insofern hatte ich, trotz aller Widrigkeiten, ungeheures Glück im Leben. Die Band ist – wieder einmal – an einem Punkt, wo es uns super geht. Diesen Moment kosten wir aus, so lange er andauert. Wir haben treue, langjährige Fans, die uns begleiten.
Während der Konzerte …
… begegne ich den Fans. Dadurch verwandele ich mich und werde der Entertainer, der seine Gefühle herausschreit. Und die Menschen schreien zurück. Dieser Moment ist immer wieder großartig. Das ist das Wir-Gefühl! Am Anfang stand da auch oft mehr ein Staunen, ehe der Jubel kam. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, aber das hat es damals auch so reizvoll gemacht. Das werden wir auf dieser letzten gemeinsamen Tour noch einmal auskosten. Uns mit Sang und Schallen selbst begraben, dabei kontrollieren, dass uns niemand lobt, dessen Gesicht wir noch nie leiden konnten.
Hatten Sie persönlich schon Zeit für Wehmut, Melancholie, für eine ganz private Rückschau? Was sieht Ihr Herz noch, wenn es auf die Pankow-Zeit schaut?
Ich neige ständig zum Zurückschauen. Klar, da ist viel Melancholie. Ich hatte viel Hilfe, in Form von Therapie im Laufe der vergangenen Jahre – auf dass die Melancholie nicht in Bitterkeit umschlägt. Von da her freue ich mich jetzt auf die letzte Tour. Wir werden das Glück haben, von vielen Menschen in Liebe verabschiedet zu werden. Außerdem gibt es für uns alle noch ein Leben danach. Ich bereite ein neues Album vor, schreibe Prosa, wenn mir etwas einfällt. In dem Sinne ist nach der Tour vor der Tour.
Spulen wir zehn Jahre voraus, fragen wir nach Ihrem Wunsch: Welche Lehren, welche Erkenntnisse sollte das kollektive Gedächtnis aus den Wegen, die Pankow gegangen ist, bewahren?
Liebe, Spaß und Freiheit. Es wäre schön, wenn diese Begriffe für lange Zeit mit der Band verbunden bleiben würde. Heute ist vieles davon selbstverständlich. Aber dafür mussten Menschen kämpfen. Ich glaube, ein Stück dieses Kampfes haben wir mit Pankow geleistet –was die ehemalige DDR betrifft. Das Danach ist eine andere Sache. Das wird man noch sehen. Wir haben sicher nicht das Rad neu erfunden, was das Musikalische anbetrifft. Aber wir stehen für Berlin: Rauheit, Humor, Melancholie. In diesem Sinn ist das alte Ost-Berlin ein bisschen mehr dran – an diesem alten Lebensgefühl, woher wir kommen.
Schauen wir auf die Gegenwart: Was sehen Sie in den Städten, in den Veranstaltungsräumen Deutschlands? Mit welchem Land, mit welchen künstlerische Strukturen müssen die jungen Musiker, die gerade frisch starten, arbeiten und klarkommen? Was ist gut, was ausbaufähig?
Großartig sind die heutigen Möglichkeiten, Lieder sofort aufzunehmen, sich im Internet selber in Szene zu setzen, sich zu filmen. Aber genau das in seiner unglaublichen Vielfalt, erzeugt auch Beliebigkeit. Du bist morgen vielleicht schon wieder vergessen. Alles richtet sich nach Verkäuflichkeit. Deshalb bin ich zwiegespalten. Du musst als junger Musiker einen unglaublichen Willen haben, dein Ding zu machen, neben der Begabung. Du musst wissen, dass selbst nach dem Erfolg wieder andere Tage kommen. Dafür brauchst du ein dickes Fell. Wenn dich genug Leute sehen wollen, dann ist das Live-Geschäft kein Problem. Aber Aufmerksamkeit zu bekommen! Dafür scheinen gute Lieder manchmal nicht ausreichend zu sein. Von da her wüsste ich nicht, was ich machen würde, wenn ich gerade angefangen hätte, zu arbeiten. Es ist eine verdammt harte, eine verdammt umkämpfte Branche.
Was werden Sie nach dem Ende der Tour machen? Ist irgendein künstlerisches Herzberg-Projekt geplant?
Es ist gut, dass ich eine Familie habe, die mich fordert und ablenkt - von mir und meinen Neurosen. Aber schnell ist es wieder soweit: Ich bereite wieder ein neues Herzberg-Album vor und schreibe auch an einem weiteren Buch. Ich kann nicht anders. Ich habe zu viel Schiss, nur zuhause zu sitzen und an die Wand zu starren. Da komme ich auf eine Menge dumme Gedanken.
Bitte vollenden Sie diesen Satz: „Glück ist …“
… das zu wissen und tun zu können im Leben, was einem am meisten Spaß macht.
Text: Mathias Schulze