Rainald Grebe und Fortuna Ehrenfeld, Open- Air-Konzert in Köln, bis 11. September 2022 in der ARD-Mediathek
Noch ist Corona, noch braucht man auch Konzerte, die frei empfangbar auf der heimischen Couch zu genießen sind. Wir empfehlen an dieser Stelle den Auftritt von Rainald Grebe und Fortuna Ehrenfeld. Das diesjährige Kölner Freiluftkonzert ist in der ARD-Mediathek zu sehen
Was für ein wildes Konzert! Wer denkt, dass Rainald Grebe dieses Jahr nur mit den Songs seines neuen Albums „Popmusik“ durch das Land gereist ist, irrt gewaltig. Zusammen mit der Kölner Band Fortuna Ehrenfeld, die komplett aus gebürtigen Ostdeutschen zusammengesetzt ist, zelebrierte Grebe eine rasante Fahrt durch den Popmusik- Kosmos.
Da der joggingbehoste Grebe, dort Jannis Knüpfer (Schlagzeug), Jenny Thiele (Keyboard) und Martin Bechler (Gitarre), kurzum Fortuna Ehrenfeld, im lässigen Schlafanzug. Wenn Grebe die Arme ausbreitet und mit „Meganice Zeit“ beginnt, kann man sich zurücklehnen. Fortan folgen zwei Stunden Konzertzauber.
Fortuna Ehrenfeld pumpt voluminösen Pop und fetten Bass in den Abendhimmel, von Rock’n’Roll über Loops bis hin zu Heavy Metal und Schlager ist alles dabei. Immer wieder werden die kabarettistischen Grebe-Songs mit Popmusik- Klassikern vermischt. Ein nahtloser Übergang, in „Dreißigjährige Pärchen“, also in Zeilen wie „Reich mir mal den Rettich rüber“, funkelt plötzlich ein Bob Marley. Da grüßen „The Beatles“ oder „Deichkind“, da reißen Hits wie „I will survive“ oder „Radio Ga Ga“ von den Sitzen, da trifft der sanfte Gesang von Jenny Thiele auf die Reibeisenstimme Martin Bechlers.
Es gibt emotionale Achterbahnfahrten, von der klatschenden Euphorie bis zur verzweifelt-melancholischen Schau aufs Weltgeschehen und auf die eigene Endlichkeit sind es nur wenige Augenblicke. Musik als Lebenselixier. Tanzbar und euphorisch bis zur Manie kümmert man sich um die Querdenker und Vogelschiss-Gaulands unserer Republik.
Willkommen im deutschen Weltbildersalat! Die Pandemie und die Kunst, Grebe rückt die „Systemrelevanz“ und die Existenznöte derjenigen, die für das funktionierende Rampenlicht sorgen, in den Fokus: „Ich habe erfahren, dass ich überflüssig bin – wusste ich noch gar nicht. Sie hören hier überflüssige Musik von überflüssigen Menschen.“
Ganz am Ende eines denkwürdigen Konzertes thematisiert Grebe seine Schlaganfälle, seine Vaskulitis- Erkrankung. Mit den „Losungworten eines Überflüssigen“ schickt er seine Fans in die Nacht: „Am Anfang war die Wiege, am Ende kommt die Bahre – dazwischen nehm’ ich Brückenjahre.“ Angucken!
Text: Mathias Schulze