Expressionist Artillerist, ab 7. November, WUK Theater Quartier, alle Termine: www.theater-aggregate.de
Das „Theater Aggregate“ zeigt ab 7. November die Theater- und Musikperformance „Expressionist Artillerist“ im WUK Theater Quartier. Alles dreht sich um den Dichter, Soldaten, Drehbuchautoren und Jazz-, Kino- und Fußballjournalist Franz Richard Behrens, der 1895 in Brachwitz das Licht der Welt erblickte. Grund genug, bei Regisseur Silvio Beck nachzufragen
Hallo Silvio Beck, warum und wie kommen Sie ausgerechnet auf Franz Richard Behrens?
Durch Gespräche mit Freunden. Der in Halle lebende Literaturwissenschaftler Christian Soboth empfahl mir Behrens. Ich war sofort angetan. Und danach gab es ein Gespräch mit Tom Wolter, in dem wir beide unser Interesse an Behrens wechselseitig entdeckten. Und sofort gingen wir in die Planung. Dann verstarb Tom. Ihm ist unser Stück gewidmet.
Wo liegt denn die Faszination an der Person Behrens?
Seine Vielseitigkeit und sein Lebensweg, sein Schicksal, wenn man so will, faszinieren. In Brachwitz an der Saale 1895 geboren, wirbelte es ihn wie viele seiner damals sehr jungen Zeitgenossen an die Front im Ersten Weltkrieg. Bei ihm war allerdings kein Hurra-Patriotismus am Start. Von Beginn an reflektierte er sein Erleben in Gedichten, die sich nicht für eine Heroisierung des Krieges eignen, sondern sich einen widersprüchlichen Weg durch die Ereignisse und Erfahrungen bahnen. Er schrieb Wortkaskaden und Verse, die wie in einem Brennglas das Erfahrene versiegeln und zugleich freisetzen.
Beispiel?
„… Feuer steigen / Meere heulen / Wolken gellen / Menschen wüten / Weltgeist lächelt: Maschienchen.“ Behrens war vier Jahre Soldat im Krieg. Danach lebte er völlig mittellos in Berlin. In Expressionisten- und Künstlerkreisen wurde er sehr geschätzt. Aber mit Lyrik Geld verdienen? Und dann landete er einen unfassbaren Erfolg. Er schrieb das Drehbuch zu dem berühmten Stummfilm „Hamlet“ mit Asta Nielsen in der Hauptrolle, die den Film auch selbst produzierte. Er überzeugte Asta Nielsen nicht nach Shakespeare zu arbeiten, sondern nach einem Mythos, wonach Hamlet eine Frau gewesen sei. Bis heute wird dieser Film als einer der ersten feministischen Filme interpretiert. Nur an Behrens erinnert sich in diesem Zusammenhang kaum jemand. Der Erfolg versiegte. Behrens wurde Journalist. Schrieb Kolumnen über Jazzmusik, Theater, Film und vor allem Fußball. Dann versiegte seine Spur im Dritten Reich. Er musste völlig abgetaucht sein.
Und dann?
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg gab es wieder Lebenszeichen. Und dann versiegte wieder seine Spur, er wurde vom Mauerbau eingeschlossen, starb zur Untermiete in einem 20 Quadratmeter großen Zimmer im Prenzlauer Berg. 1976, ein Jahr vor seinem Tod, spürte ihn Gerhard Rühm auf, ein Wiener Aktionist und Vertreter der „Konkreten Poesie“. Behrens gab ihm Kisten voller Schriften und Dokumente mit. Rühm brachte in den darauffolgenden 20 Jahren vier Bände mit Gedichten, Drehbüchern, Essays und Notizen heraus. Man kann Gerhard Rühm nicht genug dafür danken! Sachsen-Anhalt müsste ihm eigentlich einen Orden verleihen.
Wie kann man sich die ästhetische Umsetzung vorstellen?
Wir bringen die biografischen Fragmente miteinander in Schwingung. Wir spielen aus einem performativen Setting heraus, lassen darin Momente aufblitzen, die aus Behrens Gedichten, seiner Prosa und seiner Biografie stammen. Die Schauspielerin Astrid Kohlhoff stürzt sich unentwegt kraftvoll in Versuchsanordnungen, erzählt von Behrens, verwandelt sich in ihn, spielt sich über Prosatexte in Momentaufnahmen des Ersten Weltkriegs, wird zur Stummfilm-Figur. Der Komponist und Musiker Alexander Ernst, ihr Spielpartner auf der Bühne, hat tolle Lieder geschrieben, spielt Posaune, Schlagwerk, E-Gitarre und Akkordeon, manchmal im Duo zusammen mit Astrid Kohlhoff am Saxophon. Gemeinsam begeben sie sich in Soundreisen. Musik und Sound spielen eine große Rolle.
