Heidi, am 3. April um 11 Uhr und am 4. April um 10 Uhr; Viel Lärm um nichts, ab 14. April, alle Termine: www.buehnen-halle.de
Die gebürtige Hallenserin Luise Friederike Hennig ist seit der Spielzeit 2021/22 festes Ensemblemitglied am Puppentheater Halle. Aktuell spielt sie in „Heidi“, „Dracula“ und in „Viel Lärm um nichts“. Grund genug, bei Hennig nachzufragen. Ein Gespräch über Mut, Theater, das Puppenspiel und ihre Heimatstadt Halle
Hallo, Frau Hennig! Sie sind Jahrgang 1991. Hören Sie die Nachrichten vom Krieg oder vom Weltklimarat, müssten Sie eigentlich mit einer gehörigen Portion Pessimismus in die Zukunft schauen. Was macht Ihnen aktuell Mut?
Ich habe mir gestern Abend bei uns im Puppentheater ein Stück angeschaut und dabei gemerkt, wie groß gerade meine Sehnsucht ist, mich wegzuträumen, mich in eine andere Welt entführen zu lassen. Das ist diesem Abend gestern gelungen. Phantasie, Musik, Theater und unsere Theatergemeinschaft – genau das gibt mir momentan Mut.
Sprechen Sie von einer Wirklichkeitsflucht?
Nein. Ich spreche nicht davon, die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen. Im Gegenteil. Es ist wichtig, sich mit den Geschehnissen der Zeit auseinanderzusetzen, sich auszutauschen, zu diskutieren, sich zu verbünden, Veränderungen anzustreben, sich nicht alleine zu lassen und füreinander da zu sein. Es ist wichtig, zu schauen, wo die Schönheit in unserem Miteinander ist, danach zu suchen, was uns alle verbindet – und Momente zu finden, aus denen wir neue Kraft schöpfen können.
Sie haben an der berühmten Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin studiert. Wie kommt man da hin? Vitamin B, Bewerbungen?
Ich habe mich beworben und das ganze Aufnahme-Prozedere erfolgreich absolviert.
Das war eine Art Ritterschlag?
Ich war sehr glücklich über die Zusage. Damit habe ich die Chance bekommen, diesen aufregenden Beruf erlernen zu dürfen.
Warum sind Sie Puppenspielerin und keine „reine“ Schauspielerin geworden? Im Schauspiel ist man klassischerweise mit der Figur, die man spielt, begrenzt auf seinen Körper, auf sein eigenes Fleisch und auf die Eigenschaften, die es eben mit sich mitbringt. Im Puppen- und Figurentheater ist man losgelöster von diesen Eigenschaften. Schon allein aus dem Grund, weil man mit dem Material physikalische Gesetze außer Kraft setzen kann. Ich kann Schweine fliegen lassen, Dracula in Einzelteile zerlegen und für die nächste Szene wieder zusammensetzen. Ich kann Shakespeare auf einem Einhorn reiten lassen – wenn ich Lust dazu habe. Ich kann Kreaturen und Wesen erschaffen, die fern unseres menschlichen Körpers sind. Damit eröffnen sich neue Räume, Welten, andere Perspektiven und immer verschiedene Ebenen, die gespielt und bespielt werden können. Wir erzählen Geschichten mit anderen Mitteln als im „reinen“ Schauspiel. Es erweist sich mir als äußerst facettenreich und spannend.
Beantworten Sie es uns jetzt: Was macht ein gutes Puppentheaterstück aus?
Puh, eine komplexe Frage. Ich glaube grundsätzlich, dass eine Produktion gut wird, wenn Regie und die Schauspielenden an dem, was sie erzählen, ein großes Anliegen haben. Nichts ist langweiliger als belangloses Theater. Wenn der Abend es schafft, mich zu überraschen. Wenn ich nicht immer voraussehen kann, was als Nächstes passiert. Wenn ich einem Ensemble zuschauen darf, das miteinander und nicht gegeneinander spielt. Wenn das Handwerk beherrscht wird: Dann bin ich dran, dann interessiert es mich. Dabei bin ich auf eine bestimmte Theaterform, Spielweise, Material oder Puppenart nicht festgelegt.
Haben Sie so etwas wie eine eigene Philosophie des Puppenspiels schon entwickelt?
Ich würde sagen, dass ich das noch nicht sagen kann (lacht). Es wandelt sich mit jeder Spielerfahrung, die ich mache. Puppentheater bedeutet immer, mit einer Verfremdung zu spielen – die Bühne als Metapher. Die Abstraktion der Realität ermöglicht es den Zuschauenden, das Bild und dessen Bedeutung immer ein Stück weit selbst zusammenzusetzen. Diese Freiheit kann den Betrachtenden auf eine besondere Weise abholen und berühren. Verstehen Sie das als Frage. Nicht als Gewissheit.
Mach ich. Gibt es so etwas wie eine persönliche Beziehung zu den Puppen?
Da versuche ich Privates von Beruflichem strikt zu trennen. Auf eine Weindegustation oder Kaffeeklatsch lade ich nur selten ein (lacht). Nein, also Puppen sind Material, mit dem ich arbeite und welches ich wertschätze.
Warum sind Sie nach den vier Jahren in Berlin nach Halle zurückgekehrt
Ich kannte das Haus, habe hier schon Theaterluft schnuppern können. Offengestanden, wäre ich ohne Halle nicht auf die Idee gekommen, „Zeitgenössische Puppenspielkunst“ zu studieren. Es war ein großer Wunsch von mir, nach dem Studium an ein festes Haus zu gehen. Und jetzt darf ich von und mit einem großartigen Ensemble arbeiten, spielen, lernen, wachsen. Das Puppentheater Halle gehört für mich zu den Pralinen des Kulturgenusses.
Wie hat sich Ihr Blick auf Halle nach den vier Jahren Berlin verändert?
Das Studium war sehr vereinnahmend. Dadurch hatte ich wenig Kapazitäten, die aufregenden Seiten von Berlin auszukosten, sodass mich die Größe und Lautstärke der Stadt oft angestrengt haben. Während dieser Zeit ist Halle für mich zu einem Ruhepool geworden. Als ich dann wieder hier war, habe ich Halle noch einmal neu schätzen gelernt: die schnellen Wege in die Natur, zufällige Begegnungen in einer kleineren Stadt, diese muntere Intimität, die gute Vereinbarkeit von Beruf, Freunden, Familie und Hobbys. Das ist für mich eine besonders hohe Lebensqualität. Und wenn es mir doch mal zu eng wird, ist man ja schnell mit dem Zug in der Hauptstadt – oder wo auch immer es einen hinzieht.
Text: Mathias Schulze