Volksbühne Halle, alle Infos und Termine: www.volksbuehne.jonsch.net
Jonas Schütte ist 2009, nach vier Jahren Schauspielstudium an der „Ernst Busch“ in Berlin, in Halle gelandet. Hier wurde er zum freien Theaterkünstler, hier hat er 2018 die Volksbühne am Kaulenberg gegründet. Und passiert ist seit 2018 eine Menge. Grund genug, den Organisator, Schauspieler und Haupt des Ganzen einmal zurück und einmal vorwärts blicken zu lassen. Ein Gespräch über die Ge-schichte des Hauses, über Pläne und den Guckklub
Hallo Jonas, anfangs besuchte ich Sie in einer Wohnung am Kaulenberg, die am Abend zu einer kleinen, aber feinen Spielstätte umgebaut wurde. Heute haben Sie unten eine ehemalige Pizzaria umgebaut, heute garantiert der Innenhof lau-nige Veranstaltungsabende. Das klingt alles ziemlich cool. Wie kam es denn überhaupt dazu, dass sich das Volksbühnen-Imperium so aufbauen konnte? Und was ist noch alles neu?
Ja, hier ist tatsächlich viel passiert. Dazu kam es einerseits durch die tolle Bereitschaft der Vermieter, die mich im ersten Lockdown mal an den Wänden der stillgelegten Pizzeria rumpickern ließen, mir später auch weitere Räume zur Verfügung stellten. Dabei entdeckte ich auch die Geschichte dieses Gebäudes, die ja atemberaubend ist. 1608 als Brauerei erbaut, einst angeschlossen an ein Kellersystem, durch das man Fässer unter der gesamten Innenstadt hindurch rollen konnte.
Und nun ein freies Theater in der Innenstadt. Das klingt märchenhaft.
Im Endeffekt haben dann die Mittel aus „Neustart Kultur“ dafür gesorgt, dass ich hier nun dieses riesige Experiment eines tatsächlich freien Theaters durchführen kann. Nun gibt es ein Tonstudio, ein kleines Filmstudio, eine Werkstatt, eine Künstlerinnenwohnung, einen Billardsaal plus Tischtennisplatte, eine Corona-Zelle, eine Kunstausstellung, zwei Bars, den roten Salon, den grünen Salon als Hauptspielstätte und den Innenhof mit seinem echten Brunnen. Das Schöne ist, dass sich all diese Räume flexibel umrüsten lassen. Wir können hier auch Partys mit drei Floors veranstalten. Es macht wirklich großen Spaß hier.
Auf Ihrer Homepage ist die Team-Liste sehr lang. Sind das alles angestellte Mitarbeiter? Oder wie setzt sich die Crew der Volksbühne momentan zusammen?
Nein, die sind nicht alle angestellt. Das sind größtenteils Mini-Jobber oder Freelancer, die mit der Bühne assoziiert sind. Wir haben aktuell drei Techniker, eine Dame, die ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert, eine Praktikantin und ein großes Team für Einlass, Gastronomie und verschiedene Arbeiten im Gebäude.
Schauen wir noch einmal zurück: Welche Lockdown-Erfahrungen haben Sie gemacht? Was hat sie frustriert, was unheimlich gefreut und gepusht?
Also, die Entscheidung von Ex-Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), die Kultur zu stützen, war eigentlich der ausschlaggebende Punkt dafür, größer zu denken. So habe ich mich auch intensiver mit der Fördermaterie beschäftigt. Das gab mir im Endeffekt den Rückhalt, im Lockdown zu streamen, damit 46 Künstlerinnengruppen einen Verdienst zu bescheren, den Blick von Leuten aus der ganzen Welt nach Halle zu lenken. Und nicht zuletzt, das Gebäude zu einem Theater umzurüsten.
Und der Frust?
Frustriert hat mich in der Zeit eigentlich nur die Pandemie an sich. Die Spaltung, die das Thema erzeugt hat. Die Art der Argumentation in der Gesellschaft. Da war es mir ein großes Bedürfnis, Ruhe reinzubringen. Über uns zu lachen. Den Humor nicht zu verlieren.
Der Schauspieler Thomas Thieme erzählte mir unlängst auf die Frage, wie so ein Großkaliber in die Volksbühne kommt, dass Sie einfach bei ihm gefragt hätten. Planen Sie, weitere Stars einzuladen? Und generell: Wie sehen die Pläne der nächsten Monate aus?
Ich habe vom Kaliber eines Herrn Thieme sonst keine Stars angefragt. Aber dieses Jahr wer- de ich weiterhin mit Thomas Thieme arbeiten. Außerdem wird die großartige Puppenspielerin Kerstin Dathe mit ihren berührenden Abenden des Öfteren zu Besuch sein. Und ich habe die Künstlerinnengruppe „Candlelight Dynamite“ gewinnen können, das Jahr über bei mir zu spielen und zu inszenieren. Das sind Vollprofis, die an einem großen Tisch Stücke mit Action-Figuren spielen. Ich liebe es, wenn Profis solche Arten der unprätentiösen Umsetzung wählen. Das ist sozusagen das, was in meine Volksbühne gehört.
Neben Ihren eigenen Stücken scheinen sich Reihen wie „Queer Salon“ oder „Lesebühne Kreis mit Berg“ fest etabliert zu haben. Sind weitere Reihen in Planung?
Ja, es sind tatsächlich weitere Reihen in Planung: Eine Puppenkaraoke, bei der das Publikum sich wünschen kann, welche Puppe welches Lied zum Besten geben soll. Und ein „Kulturdating“, bei dem sich Menschen kennenlernen können – und zwar im Rahmen einer Kulturveranstaltung, die den Gesprächsstoff liefert. Außerdem beginne ich bald wieder ein Jugendclubangebot, das wöchentlich dienstags stattfindet. Und wir starten einen Guckklub, bei dem wir mit allen Interessierten ins Theater gehen und anschließend darüber sprechen.
Und was ist der „Queer Salon“?
Der „Queer Salon“ ist ein Pop-Up-Bar-Event der LGBTQI*-Community.
Die LGBTQI meint Menschen, die lesbisch, schwul, bisexuell, trans, queer und/oder intergeschlechtlich sind.
Genau, aber natürlich sind alle Menschen dabei willkommen. Wir planen dazu auch die entsprechenden Beiträge.
Bitte vollenden Sie den Satz: „Glück ist für mich …
… Menschen zum Lachen zu bringen.
Text: Mathias Schulze