Bürgerwehr, 18. Januar um 19 Uhr, 30. Januar um 10 Uhr und 29. Februar um 19 Uhr, Studio des Anhaltischen Theaters Dessau, www.anhaltisches-theater.de
Ein zerbrochener Gartenzwerg. Und schon wird der Krieg erklärt. Das Anhaltische Theater Dessau zeigt das hochaktuelle Schauspiel „Bürgerwehr“. Eine Bühnenkritik
Überall drei Meter hohe Zäun. Für Martin Massie, großartig wie Roman Weltzien in seiner viel zu üppigen Militärjacke den Möchtegern- Führer spielt, ist der Fall klar. Das Zerbrechen seines geliebten Gartenzwerges war zu viel: „Das bedeutet Krieg!“
Nun werden Grundrechte geschliffen, nun dürfen sich alle zwischenmenschlichen Abgründe, die sich vorher zwischen den Wohlhabenden der Villen-Siedlung aufgetan haben, unter einem großen „Wir“ verstecken. Wir, die letzten Aufrechten, die dem schlaffen Gesellschaftskörper wieder Standfestigkeit einflößen werden.
Willkommen im Schauspiel „Bürgerwehr“ (2010) des britischen Autors Alan Ayckbourn. Willkommen in der Inszenierung von Philip Tiedemann im Studio des Anhaltischen Theaters. Willkommen in unserer Welt, in der den ungleichen Eigentumsverhältnissen scheinbar nur mit einer Zauberformel begegnet werden kann: Grenzen, Zäune, Mauern und Abschottung.
Ein globales Problem, Ayckbourn packte es in den Mikrokosmos einer englischen Vorgartenidylle. Und Rod Trusser, ein Freizeit- Rambo par excellence und von Dirk Greis schön breitbeinig und mit hochgezogenen Strümpfen gespielt, kennt das Gebot der Stunde: „Selbst ich habe einen Zaun. Und ich war beim Sicherheitsdienst!“
Das wohlhabende Bürgertum würzt die entstehende Schicksalsgemeinschaft mit einem Führerund Männlichkeitskult. Die Feinde sind die sozial Schwachen. So glotzt die Nachbarschaft gemeinsam aus dem Fenster, so glotzen sie ins Publikum. Ein ehrenwertes Viertel, ins Tuscheln stürmt die Doppelmoral.
Alle Brennpunkte der Welt (Globalisierung, soziale Ungleichheit, Polizeiabbau) sind unsichtbar geworden, verschüttet vom zwanghaften Kreisen ums eigene Eigentum, vom ewigen Drehen um Geschlechterklischees. Natürlich spürt man in diesen sarkastischen Überzeichnungen die (Inszenierungs)- Haltung, die das autokratische Unterwandern einer von sozialer Ungleichheit angezählten Demokratie zu Recht befürchtet – gut so. Die Figuren bleiben aber nur unglaubliche Knallchargen.
Dabei formiert sich bestimmt gerade irgendwo auf der Welt die nächste Bürgerwehr. Und zwar langsam, subtil und scheinbar unausweichlich. Leider hilft die Inszenierung nicht dabei, die daran beteiligten Menschen als Menschen zu verstehen. Ein Manko in einer sehenswerten Inszenierung.