Giganten des Universums, 4. und 5. November, jeweils 19.30 Uhr; Die wilden Schwäne, am 6. November um 19.30 Uhr und am 7. November um 18 Uhr, Volksbühne, Tickets: volksbuehne.jonsch.net
Die freie Theatergruppe „Candlelight Dynamite“ spielt im November viermal in der Volksbühne. Mit dem Stück „Giganten des Universums“ gibt es Theater-Remmidemmi und ein Wiedersehen mit der Action-Figur He-Man, mit dem Stück „Die wilden Schwäne“ geht es auf den Spuren Thomas Braschs in eine märchenhafte Welt der Poesie. Grund genug, beim Schauspieler Denis Geyersbach nachzufragen
Sie sind Gründungsmitglied der freien Gruppe „Candlelight Dynamite“ und sonst eigentlich an diversen Staatstheatern als Schauspieler beschäftigt. Da liegt eine Frage auf der Hand: Verstehen Sie „Candlelight Dynamite“ als einen Ausbruch aus gewissen Zwängen, welche mit den Staatstheatern einhergehen?
Für mich ist es kein Ausbruch, eher eine Ergänzung. Natürlich gibt es viele Unterschiede. In der Off-Theaterszene musst oder darfst du viel freier, viel konzentrierter arbeiten. Das fängt bei ganz grundlegenden Dingen an: Wie organisiert man die Proben und wo finden sie statt, wie kann man es finanzieren? Das kann sehr fordernd sein, bringt aber eine enorme gedankliche Freiheit in den künstlerischen Aspekten, einen großen Improvisationsspielraum. Den künstlerischen Ansatz, den wir bei „Candlelight Dynamite“ verfolgen, versuche ich auch mit ins Staatstheater zu nehmen. Die Erfahrungen haben mich geprägt, sowohl an den Staatstheatern als auch in der Off-Szene, das geht ja in beide Richtungen.
Man kann für „Candlelight Dynamite“ keinen festen Ort in Deutschland ausfindig machen.
Unsere Gruppe, welche sich momentan aus Nadine Geyersbach, Lorenz Liebold, Karl Sebastian Liebich, meiner Wenigkeit und unserer künstlerischen Leitung Cornelia Schäfer zusammensetzt, ist in ganz Deutschland verteilt.
Die Stücke, die in Halle zu sehen sind, …
… sind zwei Stücke, die sich im Laufe der Zeit als zeitlos erwiesen haben. Es sind Stücke, die wir seit unserer Gründung 2009 immer wieder spielen. Wobei die „Giganten“ schon etwas aktueller sind.
Nehmen wir uns mal „Giganten des Universums“ vor: Worauf darf sich das Volksbühne-Publikum freuen?
Generell ist es schwierig, zu beschreiben, was wir machen. Man läuft schnell Gefahr, zu viel zu verraten. Ich versuche es so: Wir sitzen am Tisch, haben einen Haufen Requisiten. Und dann artet die Live-Lesung zu einer Spiel-Lesung aus. Es gibt Live-Musik und wir versuchen, eine Phantasiewelt aufzumachen, an die jeder andocken kann, der Phantasie mitbringt. Das gilt auch für Kinder, Erwachsene und Senioren!
Gibt es He-Man noch?
Ja, der erfährt wahrscheinlich gerade eine erneute Revolution. Es gibt zwei neue Anime-Serien, die erste hält sich sehr genau an die Vorlage, welche auch bei mir im Kinderzimmer über den Bildschirm flimmerte. Die Zweite ist wahrscheinlich eher an Kinder gerichtet, da gibt es viel Bähm, Bumm, Peng, so Power Rangers dreimal vorgespult, ein wenig too much für mich!
Wie kommt man denn auf He-Man. Wollen Sie männliche Stereotypen dekonstruieren?
Das passiert in unserer Inszenierung eher nebenbei. Wir sind selbst mit diesen Figuren aufgewachsen. Diese verklärten Erinnerungen wollen wir einerseits aufleben lassen, aber auf der anderen Seite natürlich nicht die Lächerlichkeit dieser Stereotypen außer Acht lassen. Uns ist ein subtiler Umgang mit dieser Kritik wichtig, um unsere Geschichte und unser Publikum ernst zu nehmen und nicht vorzuführen. Jeder kann das Stück auf seine eigene Weise rezipieren, die jüngeren Zuschauerinnen werden die auf anderer Ebene sichtbare Ironie vielleicht nicht wahrnehmen.
Es geht …
… eher um die Gefühlswelten, die man erlebt, wenn man als Kind mit Action-Figuren umgeht, mit ihnen spielt. Letztlich ist es einfach eine immer noch spannende Fantasy- Geschichte. Unsere „Giganten des Universums“ sind auch ergänzt mit einem Text von einem russischen Surrealisten. Es gibt einige Twists, viel Überraschendes. Ein Theater-Remmidemmi durch alle Instanzen des Fantasy-Action-Hero- Adventures, Muskeltypen, Prinzessinnen und Synthie-Sounds inklusive. Die Selbstironie gibt es obenauf. Wie sich das gehört!
Und „Die wilden Schwäne“?
Das ist ja an sich schon eine ganz andere Geschichte. Die Adaption von Thomas Brasch bringt schon von vornherein eine ganz andere Welt mit. Es ist ein Märchen, sehr atmosphärisch und auch ein bisschen melancholisch. Uns hat einfach dieser wunderbare poetische Text umgehauen. Ein Kleinod.
Sie spielen überall in Deutschland. Können Sie regionale Unterschiede anhand der Reaktionen des Publikums feststellen?
Es kann sein, dass die Menschen unsere Stücke individuell unterschiedlich erleben und bewerten, anhand der äußeren Reaktionen kann ich jedoch keine Unterschiede feststellen – auch nicht zwischen den neuen und alten Bundesländern. Im Inneren haben wir alle mehr gemeinsam, als wir denken – das glaube ich zumindest.
Lassen Sie uns auf die gegenwärtige Situation des Theaters schauen.
Alle Häuser sind unterschiedlich, es gibt so viele regionale Eigenheiten, so viele ästhetische Ansätze, so viel verschiedenes Publikum. Das Spannende ist doch, dass Theater alles abdecken kann: Politik und Unterhaltung, Spaß und Gesellschaftsproblematiken. Alles am besten verpackt in gute Geschichten von damals, von heute, von morgen oder, wie in unserem Fall, von einem anderen Universum. Dann verschwimmen auch oft die regionalen Grenzen. Oder sie verschwinden ganz. Das Publikum ist live dabei, das ist der große Vorteil, aber auch die Herausforderung, der Reiz und die Aufgabe – das wird sich hoffentlich nie ändern.
Text: Mathias Schulze