Er hospitierte bei Heiner Müller und Ruth Berghaus, er war Spielleiter am Berliner Ensemble und die Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Frank Castorf führten ihn nach Chile, Moskau oder München. Jetzt arbeitet der Regisseur, Schauund Puppenspieler Patric Seibert an der Oper Halle und inszeniert dort die Operette „Viktoria und ihr Husar“. Wir haben Seibert zum Gespräch gebeten
Hallo Herr Seibert, Sind Sie derzeit als Gast an der Oper Halle oder als Hausregisseur?
Ich arbeite als Gast an der Oper Halle, allerdings ist eine längerfristige Zusammenarbeit geplant.
Warum starten Sie mit „Viktoria und ihr Husar“? Ich frage nach den ästhetischen und inhaltlichen Beweggründen.
Ich habe vor einigen Jahren damit begonnen mich mit Fritz Löhner- Beda zu beschäftigen. Er war einer der Librettisten von Paul Abraham, hat aber auch mit vielen anderen Komponisten seiner Zeit zusammengearbeitet. Zum Beispiel mit Franz Lehar. Die Kombination Löhner-Beda/Abraham war außerordentlich erfolgreich. Auch außerhalb Österreichs – und vor allem im Berlin der späten 20er und frühen 30er Jahre. Beide wurden dann auf tragische Weise Opfer des Nationalsozialismus. Abraham floh in die USA und wurde verrückt, Löhner-Beda wurde im KZ ermordet. Als ich mit Walter Sutcliff über sein Konzept für Halle sprach, war es klar, dass auch eine klassische Unterhaltungsposition auf dem Spielplan stehen soll. Und er hatte die Idee, zur Stück- und Komponistensuche einen Radius um Halle zu schlagen, der der Distanz Halle-London entsprechen sollte. Dieser Radius geht durch den Geburtsort von Paul Abraham in Ungarn. Das war ein klares Zeichen.
Viele Wege führen zur Operette.
Neben der offenbachschen Operette sind mir die Berliner Operetten der 20er und 30er Jahre näher als die Wiener – auch weil viele der Librettisten und Komponisten die Nazizeit nicht überlebten oder fliehen mussten. Wären sie geblieben, hätte die Unterhaltungsmusik in Deutschland eine ganz andere Richtung genommen, denn im Grunde war die Revueoperette der Beginn der Entwicklung des Musicals. Außerdem wollte ich ausprobieren, ob so ein Stück wie Viktoria noch immer funktionieren kann. Es ist nicht so einfach, denn das Libretto geht natürlich mit gesellschaftlichen Konventionen der 20er um. Da hat sich einiges getan seither.
Schaut man sich Ihren Lebenslauf an, kann einem ein Schwindel erfassen ob der vielen Stationen und kreativen Tätigkeiten. Aber nirgendwo steht, wo Sie geboren sind, wo Sie aufgewachsen und sozialisiert sind. Das können Sie jetzt aufklären, oder?
Ich bin in Ost-Berlin aufgewachsen. Habe nach der Wende Abitur gemacht und in Russland und Berlin studiert.
Ebenso beeindruckend ist die Liste jener Namen mit denen Sie bereits zusammengearbeitet haben: Würden Sie mittlerweile von einer eigenen ästhetischen und inhaltlichen Handschrift reden? Jetzt wäre hier Platz für ihre „Opern-Philosophie“.
Ich habe sehr viel von Frank Castorf, von Kathi Thalbach und von Michael Hampe gelernt. Das sind ganz unterschiedliche Künstlerpersönlichkeiten. Alle drei stehen für einen eigenen Zugriffe auf Stoffe und Stücke. Aber man muss immer seinen eigenen Weg finden, wie man an einen Stoff herangeht, wie man ihn sich zu eigen zu macht. Ansonsten arrangiert man nur. Oder man versucht etwas zu imitieren. Das ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt, weil man keine Antworten auf die Fragen findet, die einem die Stücke stellen. Was ich aber mitgenommen und gelernt habe, ist eine Demut gegenüber den Stücken – aber auch den Mut mir die Stoffe anzueignen und mit einer Freiheit damit umzugehen, die undogmatisch ist. Wir wollen ja das Feuer am Brennen halten und nicht die Asche anbeten, um ein Zitate- Evergreen zu verwenden …
Eine Frage, die ich jedem Gast gern stelle: Was sehen Sie, wenn Sie durch Halle schlendern? Was erfahren Sie, wenn Sie an der Oper Halle arbeiten?
Ich schlendere sehr gerne durch Halle. Ich kannte die Stadt aus den späten Neunzigern nur flüchtig und hatte nie einen Grund herzukommen. In den Wochen, in denen ich nun hier bin, habe ich die Stadt schätzen gelernt. Ich fühle mich sehr wohl hier. Die Theater sind ja in unmittelbarer Nähe zur Uni und es ist sehr schön, dass hier eine Vermischung und ein Miteinander zwischen studentischem Leben und Theaterleuten stattfindet. An der Oper treffe ich täglich Menschen, die ihre Arbeit sehr ernst nehmen und trotzdem mit Freude und Engagement dabei sind. Obwohl viele den Job schon lange machen. Das ist eine sehr schöne Erfahrung, man fühlt sich gut mitgenommen und integriert in ein gewachsenes Ensemble.
Sind schon weitere Arbeiten in Halle geplant?
Ja, aber mehr kann ich noch nicht verraten.
Text: Mathias Schulze