Das letzte Wort in diesem Monat haben wir dem Studenten Ferdinand Raabe erteilt. Er ist jüngster Stadtrat im halleschen Stadthaus und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Volt / MitBürger. Raabe stammt aus Lettin, ist 20 Jahre jung und studiert Stadtentwicklung an der Bauhaus-Universität in Weimar
Hallo, Ferdinand, wenn Sie in diesen Tagen an Halle denken, welches Kompliment würden Sie der Stadt und/oder ihren Bewohnern machen?
Halle ist eine Stadt, die sehr viel Potenzial in sich trägt. Wir haben eine Uni, die immer wieder junge Menschen anzieht, viel Natur und einen guten ÖPNV, wodurch wir auf die Klimaherausforderungen vorbereitet sind und einen Wohnungsmarkt mit vielen Genossenschaften und kommunalen Unternehmen, der Mietexplosionen wie in anderen Großstädten verhindern kann. Es gibt keinen Grund, dass Halle nicht noch besser werden kann und andere Städte überflügelt, wenn wir diese Potenziale nutzen. Schon jetzt gibt es sehr vielschichtige Kulturangebote, vor allem für die Nähe zu einer Großstadt wie Leipzig.
Und welchen Tadel würden Sie ihr aussprechen?
Die Menschen sind oft sehr pessimistisch und sehen nur die kaputten Straßen oder schimpfen über das Zukunftszentrum. Es fehlt in der Stadtgesellschaft an vielen Stellen Optimismus und der Wille, bei Unzufriedenheit konstruktiv anzupacken. Das Wahlverhalten treibt die Spirale des Pessimismus voran. Wenn die stärkste Fraktion im Stadtrat, die Arbeit des ganzen Gremiums aktiv durch sinnlose Beiträge und Hass sabotiert, dann bremst das Verbesserungen nur noch mehr aus. Die Menschen in Halle müssen die graue Brille absetzen und die Schönheit und das Potenzial der Stadt erkennen.
Kriege, Klima, Inflation – überall Krisen. Wie gelingt es Ihnen, optimistisch zu bleiben?
Ich bin immer optimistisch. Was bleibt einem, wenn man nicht daran glaubt, dass man die Dinge zum Besseren ändern kann? Wenn man selber anpackt und sich einbringt, dann ändert sich auch etwas und gemeinsam als Gesellschaft ist jede Krise zu bewältigen. Sei es die Teilnahme an einer Demonstration oder das Engagement in einer Interessenvertretung, es gibt für viele Probleme Gleichgesinnte, das gibt Hoffnung. Manche Entwicklungen machen mir auch Angst, aus der Wut oder den Sorgen versuche ich aber immer, konstruktive Kraft zum Anpacken zu ziehen.
Und welchen Kulturtipp in oder aus Halle würden Sie unbedingt empfehlen?
Wer Halle besucht, sollte auf jeden Fall das Puppentheater besuchen. Ich bin immer wieder fasziniert, wie sehr man in dieser Illusion versinken kann. Wenn man nach etwas Musikalischem sucht, dann empfiehlt sich die Reil78.
So, und nun wirklich, ein letztes Wort!
Wenn wir uns nicht spalten lassen, dann können wir alles schaffen. Die krisengeplagte Zeit stellt uns alle vor Herausforderungen und extreme Kräfte versuchen das auszunutzen. Wir wissen: Nie wieder ist jetzt! Die Lösung kann nur ohne Hass und mit Menschlichkeit gefunden werden.
Text: Annett Krake