Am 11. Juni startet 2022 die 55. Petersbergrallye, Treffpunkt ab 12.00 Uhr am Café Deix, Seebener Straße 175, Abfahrt in Richtung Petersberg 12.30 Uhr – jeder ist willkommen!
Wenn sich, wie nun schon seit stolzen 55 Jahren, immer Anfang des Sommers eine Horde tollkühner, mehr oder weniger kostümierter Pedaleure auf die waghalsige Tour zum höchsten Gipfel der Umgebung stürzt, dann ist – natürlich – von Halles berühmtesten Radrennen die Rede: der Petersbergralley. In diesem Jahr startet sie am 11. Juni, wie immer, so will es die Tradition, am Café Deix.
Apropos Tradition: Tradition ist ein oft gebrauchtes Wort, das stützend in den Eckpfeilern des Lebens lauert, und zum Ritual ge-wordene Ereignisse beschreibt. Die Petersbergralley, die familienfreundliche Ausfahrt mit dem Rad zum Petersberg, ist so eine hallesche Tradition. Geradelt wird von Halle bis zum Petersberg, ganz gemütlich, mit Halt in den Dorfkneipen in Teicha, Nehlitz und dem Endziel am Petersberg.
Die Radfahrenden treten mit Kind und Kegel in die Pedale, sind mit Hüten geschmückt und ha- ben dem Sonnenschein zum Trotz, das weiße Hemd des Großvaters oder das selten gebrauchte, luftige Kleid aus dem Schrank geholt. Die kostümierten Radler machen deutlich, wie heiter und unbeschwert dieses Radtour zum Petersberg ist – eine launige Gruppe freudiger Fahrer, die alle neu Mitfahrenden herzlich willkommenheißt.
Der Initiator und Nestor dieses Großausflugs der halleschen Radfamilie ist der Künstler – und selbstredend auch Zweirad-Versessene – Wasja Götze. Vor 55 Jahren fiel der erste Startschuss zu dieser Tour, die zu DDR-Zeiten immer auch ein politisches Statement war. Ein großer, bunter, fröhlicher Haufen fuhr da. Und vor allem unorganisiert. Einige spielten auf Pausen nackt gegeneinander Fußball. Nüchtern waren die wenigsten. Das war unerhört. Sub-versive Elemente. Das konnte der Stasi nicht gefallen. Hat es auch nicht. Man kann all das in Götzes Stasiakte nachlesen.
Götze jedenfalls entdeckte einst als Erster die Tour-Fähigkeit des Radwegs vom Saalestrand bis hin zum Petersberg. Der umtriebige Künstler führte über etliche Jahre jene illustre Gruppe an, die mit unbändiger Lust am Radfahren, mit ausreichend Pausen, bei frisch gezapften Bier und deftiger Bratwurst das unbekümmerte Zusammensein genoss. „Ich fahr’ so gerne Rad, wenn die Winde wehn und die andern blöd an der Ampel stehn …“ hat er dabei auf der Gitarre verlauten lassen, und die ausgelassene Stimmung noch mehr befördert.
Wasja Götze und seine Gefährten von einst wohnen der Tradi- tionsfahrt heute nicht mehr bei. Die nachfolgende Generation hegt und pflegt nun das ideelle und das einzigartige Gut der Petersberg-ralley – es werden wie eh und je Trophäen verliehen, Preise gekürt, musikalische Einlagen gegeben. Dabei wird geradelt, gelacht und getrunken.
Wasja Götze ist im Geiste immer irgendwie dabei, denn an dem legendären Gefühl, das nur durch diesen herrlichen Mix an Leuten, den Halt in den Kneipen unterwegs und beim Verweilen im Zielgastort auf dem Petersberg aufkommt, hat sich in all den Jahren nichts geändert.
Text: Annett Krake