Dusk, bis 25. Juni, Café im Opernhaus Halle, geöffnet zu den Vorstellungen, alle Infos: www.hallescher-kunstverein.de; Gift und Glitzer 3. Mai bis 14. Juni, Galerie „The Grass is Greener“ in der Spinnerei Leipzig, alle Infos: www.undine-bandelin.de
Die Malerin Undine Bandelin, Jahrgang 1980 und geboren in Jena, hat an der Burg in Halle studiert und lebt seit 2012 in Leipzig. Im Mai stellt sie sowohl in Halle als auch in Leipzig aus. In Halle ist sie Teil der Ausstellung „Dusk“, die sich mit dem gleichnamigen Ballett-Stück beschäftigt. In Leipzig zeigt sie ihre Arbeiten in der ihr gewidmeten Schau „Gift und Glitzer“. Grund genug, bei Bandelin nachzufragen
Hallo, Undine, warum sind Sie Künstlerin und keine Juristin geworden? Hadern Sie manchmal mit der Studienwahl, mit dem eingeschlagenen Weg?
Man weiß instinktiv, wo die eigenen Stärken liegen. Das Jonglieren mit Paragrafen und die freie und überzeugende Rede sind es sicher nicht. Meine Fragen und Argumente suche ich auf der Leinwand. Ich wusste früh, dass mein Weg in die künstlerische Richtung gehen würde. Aber das Feld war nicht ganz klar: Schreiben oder bildende Kunst? Mit der Studienwahl und dem Weg hadere ich nicht, im Gegenteil. Da bin ich glücklich, dass ich diesen eingeschlagen habe.
Der Eröffnungstext Ihrer Schau in Leipzig spricht davon, dass Sie schon immer nackte Menschen dargestellt haben, dass sich aber die Art, wie Sie diese Nacktheit präsentieren, gewandelt hat. Warum?
Stimmt, mein Bildpersonal war schon immer nackt gewesen. Mich interessieren die Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten, die dem Menschen innewohnen und die Eigenschaften, welche wir alle lieber unter den Teppich kehren würden. Die Nacktheit ist ein Mittel, diese Dinge offenzulegen – wie ein psychologischer Blick, der unter die Haut geht. Gleichzeitig war es auch immer ein Weg, die Bilder ins Groteske zu verlagern, da den Menschen in den Bildern auch selten bewusst zu sein scheint, dass sie nackt sind. Und das ist auch lustig – wie bei dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. In der neuen Werkserie „Gift und Glitzer“ wird dem Betrachter vor Augen geführt, dass die Masken der Moral, die Fassade des Anstandes und des Respekts gefallen sind. Schlagen wir den Bogen zu den gesellschaftlichen Zusammenhängen.
Der Eröffnungstext spricht von einer demokratischen schrankenlosen und fragmentierten Freiheit, die sich gegen die Demokratie selbst wendet. Erklären Sie das bitte!
Ein Hauptwerk der Ausstellung trägt den Titel „Das Versprechen“. Es ist 240 mal 380 Zentimeter groß, zeigt eine Art groteske Krönungszeremonie, in welcher im Bildzentrum – auf einem erhobenen Podest – ein Schwein sitzt, zu dem die Menschen emporklettern, dabei gleichsam übereinander fallen. Der königliche Saal ist das ehemalige Bernsteinzimmer, die steinernen Figuren auf den Säulen schielen von oben auf diese Szenerie herab.
Warum heißt das Bild „Das Versprechen“?
Ja, wer oder was sitzt auf diesem Thron? Ein Trugbild, alte Dogmen, neue Versprechen? Das Schwein ist austauschbar.
Weil?
Der Mensch ist anfällig für Ideen oder Personen, die einen Weg aus der Vereinzelung und Sinnsuche versprechen, die vorgeben, eine Losung zu kennen. Was immer die Lösung oder das sogenannte Versprechen sein mag – das ist gefährlich, gerade in diesen politischen Zeiten, in welchen die Grenzen zwischen Wahrheit und Lüge verwischt werden, der Autoritarismus immer skurrilere Züge anzunehmen droht. Nicht ohne Grund ist der Ausstellungstitel dem Bildkosmos von George Grosz entnommen. Manche Parallelen waren vor 100 Jahren schon da.
Was ist in Halle zu sehen?
In der Gruppenshow in Halle haben sich Künstler und Künstlerinnen mit dem Ballettstück „Dusk“ auseinandergesetzt. In diesem Stück geht es um den Kreislauf des Lebens. Dort ist mein Bild „Der Nachfolger“ zu sehen. Er ist eine Symbolfigur für einen Übergang. Der Protagonist gleicht einem Herrscher. Eine skurrile Prozession vor einer riesigen Wolkenwand.
Können Sie uns in einer gewöhnliche Arbeitswoche mitnehmen: Wie sieht die bei Ihnen aus?
Wunderbar an der Selbständigkeit ist, dass man sich die Zeit selber einteilen, auf spontane Anfragen reagieren kann. Dafür werden es oft Spätschichten bis tief in die Nacht, erledige ich auch Arbeit am Wochenende. Ich arbeite recht viel, da ich meistens viele Ideen habe, die auf die Leinwand wollen. Und Freunde sind auch wichtig, sonst wird man verrückt im Kopf.
Sie kennen beide Städte, Halle und Leipzig, gut: Was empfinden Sie, wenn Sie heute durch Leipzig und Halle laufen? Welche Veränderungen sind Ihnen in den letzten Jahren aufgefallen?
Zu Halle habe ich einen nostalgischen Bezug, da ich gute fünf Jahren an der Burg studiert habe, die Stadt mit ihren netten Ecken, die Burg, die Saale oder das Paulusviertel – sehr mag. Halle wirkt viel familiärer als Leipzig, bietet immer gute Überraschungen: die Moritzburg, die Kunsthalle „Talstrasse“, die Kunststiftung oder auch die Ausstellungen in den Galerien.
In Leipzig …
… ist in Sachen Kunst super viel los, das wird auf jeden Fall nicht langweilig. Natürlich spürt man, wie überall, die Gentrifizierung. Die Freiräume gehen mehr und mehr verloren. Aber ich bin sehr glücklich in Leipzig, es sind viele Freunde hier, man kann immer was entdecken, ist im guten Austausch.
Text: Mathias Schulze