Claus von Wagner, Die Theorie der feinen Menschen, 17. Oktober, Steintor-Varieté Halle, 20 Uhr, 16. Januar 2020 im Haus Leipzig, www.claus-von-wagner.de
Wer Claus von Wagner auf einer Bühne sieht, weiß: das wird kein normaler Kabarettabend. Claus von Wagner, neben Max Uthoff ein Protagonist der ZDF-Sendung „Die Anstalt“, ist so, wie sich Bertolt Brecht und Loriot in einer durchzechten Nacht ihren Schwiegersohn vorgestellt hätten. Sein Programm „Die Theorie der feinen Menschen“ ist Empowerment – für mehr Denkautonomie im Leben. Bevor er damit am 17. Oktober im Steintor-Varieté Halle auftritt, haben wir ihn zum Interview gebeten
Herr von Wagner, lassen Sie mich mit einer gesamtgesellschaftlichen Bestandsaufnahme anfangen, die so schillernd ist, dass ich sie in eine persönliche Frage drehen will: Mario Barth füllt immer noch die großen Arenen des Landes. Sind Sie neidisch?
In Anbetracht der Tatsache, dass der Mensch durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe im Verbund mit einer unglaublichen Treibhausgas-intensiven Nutztierhaltung und nicht nachhaltiger Landnutzung so in das Klimasystem des Planeten eingegriffen hat, dass wir derzeit in einer Zeit leben, in der wir durch unser kollektives Handeln über das Überleben zukünftiger Generationen und das Überleben von Menschen in den vom Klimawandel bereits jetzt betroffenen Gebieten entscheiden müssen, halten sich meine Gefühle Herrn Barth gegenüber in überschaubaren Grenzen. Macht er was zum menschengemachten Klimawandel?
Nehmen wir an, Sie wären einige Jahre später geboren, folglich nicht im Magister-, sondern im Bachelor- Studiengang gelandet. Sie würden heute nicht eine der besten Kabarett- Sendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestalten können, oder?
Das kann ich nicht beantworten. Aber mein Magister-Studium in der damaligen, noch nicht so ganz auf Berufseinstieg getrimmten Form, hat mich geprägt. Durch die überschaubare Wochenstundenzahl an der Uni hatte ich neben den Prüfungen und Hausarbeiten auch noch Zeit Kabarett zu machen und mich journalistisch weiterzubilden. Im Studium habe ich darüber hinaus gelernt, wissenschaftliche Quellen zu lesen. Wenn man sich „Die Anstalt“ anschaut, kann man diese Sozialisation durchaus in der Anlage der Sendung wiederentdecken. Wo ich gelernt habe wie Angela Merkel zu sprechen, ist mir allerdings nach wie vor ein Rätsel.
Hört man nur den Titel Ihres aktuellen Programmes, könnte man glauben, dass Sie an Pierre Bourdieus „Die feinen Unterschiede“ anknüpfen. Stimmt das?
Interessant, ich habe eine Bourdieu- Anleihe genommen bei meinem Programmtitel „Im Feld“ – in Anspielung auf seine Feldtheorie. Was Menschen aber nur dazu gebracht hat, bei den Bühnen anzurufen, um zu fragen, ob das Programm denn jetzt „nur“ von der Bundeswehr handele. Aufgrund dieser Erfahrung habe ich Abstand von Bourdieu genommen.
Der aktuelle Programmtitel ist eine Anspielung auf die „Theorie der feinen Leute“ von Thorstein Veblen. Eine zwischen Soziologie und Satire schillernde Betrachtung der Vermögenden seiner Zeit. Das klingt jetzt etwas hochgestochen. Im Grunde hielt Veblen die Reichen für Schwachköpfe, die ihr Geld jeder noch so abstrusen Mode hinterherwarfen, um damit Prestige zu kaufen, auch wenn sie das überhaupt nicht glücklicher machte. Das Buch ist von 1899. Macht einen nachdenklich, nicht?
Bleiben wir bei Bourdieu oder auch bei den Befunden, die Didier Eribons „Rückkehr nach Reims“ formuliert: Können die schwächelnden progressiven Kräfte in Ihrem Programm, das mitten aus der Herzkammer von „Fonds-Ganoven und Finanz-Alchemisten“ (Süddeutsche) sendet, lernen, wie man die wirklichen Klassenverhältnisse, fernab vom rechten Verschleierungsdiskurs, „wieder scharf“ machen kann?
Ich hoffe, das Programm hilft dabei, sich – auf gut deutsch – selber zu empowern. Indem man erkennt, dass man der derzeitigen Finanzwelt, der Tatsache der wachsenden Vermögensungleichheit, dem Aufbau des Wirtschaftssystems, das auf einer Ressourcenübernutzung basiert, die uns direkt in diese Klimakrise geführt hat, nicht ohnmächtig gegenübersteht; denn: alles ist menschengemacht! Und zwar durch politische Entscheidungen. Es ließe sich vom Menschen durch politische Entscheidungen auch wieder ändern – auch wenn die Zeit langsam etwas knapp wird.
Am Ende bitte noch zwei ganz kurze Antworten: Bayern München oder SV Miesbach, der Verein Ihrer Geburtsstadt?
Ganz klar: Dr. Döblingers Kasperltheater!
Die Anstalt oder das heute-journal?
Ich weise darauf hin, dass ich bei diesem Thema befangen bin – möchte aber mutmaßen, dass das Ansehen beider Sendungen und eventuelle Spannungsverhältnisse im Erleben für die eigene Weiterentwicklung des Denkens von Vorteil sein können.
Text: Mathias Schulze