„Deep Inside“ vom 14. bis 16. März; „German Horror“ vom 24. bis 26. März, WUK Theater Quartier, alle Termine: www.wuk-theater.de
Im Rahmen der „Bildungswochen gegen Rassismus“ gibt es zwei Gastspiele des renommierten, bundesweit agierenden Theaterkollektivs „cobratheater.cobra“ im WUK Theater Quartier. In den Stücken „Deep Inside“ und „German Horror Story / Daemonium _ Antifa KI“ geht es um Rechtsextremismus und Rechtspopulismus. Wir haben bei Produktionsleiter Olaf Nachtwey nachgefragt
Hallo, Herr Nachtwey, es geht ja um Theater: Was eigentlich unterscheidet gutes von sehr gutem?
Das kann man leider immer nur im Nachhinein sagen. Nach Brecht gibt es vier Arten von Theater: 1. Theater, das etwas zu sagen hat und schlecht gemacht ist. 2. Theater, das nichts zu sagen hat und gut gemacht ist. 3. Theater, das nichts zu sagen hat und schlecht gemacht ist. Und 4. Theater, das etwas zu sagen hat und gut gemacht ist. Ich mag am liebsten Theater, das etwas zu sagen hat. An dem guten Theater war etwas gut, von dem wir noch nicht wussten, dass wir es gut finden.
Und was sind die Kennzeichen von schlechtem Theater?
Theater ist eine Art der Simulation von Realität. Hier kann ich, mit anderen Menschen in einem Raum, zur selben Zeit, bis zu einem gewissen Grad Erfahrungen machen. Es geht um die menschliche Existenz in all ihren Facetten: Liebe, Sehnsucht, Trauer, Neugier, Mut, Freude, Angst, Trauer, Schock, Unterhaltung, Empathie oder kritische Reflektion. Was ist gutes oder schlechtes Theater? Es ist immer die Frage, wie diese Erfahrungen hergestellt werden – in Atmosphäre, Raum, Musik, Körper, Text, Rhythmus, Komplexität, Vielfalt. Oder auch welche Erfahrungen oder Perspektiven geteilt werden.
Also ist schlechtes Theater …
… leider nicht immer sofort zu erkennen. Nur weil es schlecht gespielt ist, ist es nicht gleich schlechtes Theater. Auch hässliche Kostüme sind schön und dumme Gedanken schlau. Schlecht ist Theater unserer Meinung nach oft dann, wenn es sich unehrlich gegenüber seiner eigenen Unehrlichkeit verhält. Wenn die eigenen Mittel selbstverständlich eingesetzt werden, wenn das Handeln, Lassen, Auftreten und Verschwinden so sein muss. Wenn es keine Fragen mehr gibt.
Zu den beiden Vorstellungen, die im März im WUK Theater Quartier laufen: In beiden geht es um Rechtsextremismus und Rechtspopulismus. Wie würden Sie die Funktion oder die Rolle, die Theater angesichts dieser Realitäten spielen kann, charakterisieren?
Unser Vorschlag ist, dass die Theater sich als ein Ort im Zusammenhang mit vielen weiteren verstehen sollten, die der bestehenden Realität von rechter Politik und Gewalt widersprechen. Die Mittel des Theaters sind nicht wenige. Die Theater sind anerkannte Kulturorte inmitten der Stadt, sie gelten als Aushängeschild und kultureller Mittelpunkt einer Stadt, aber sie sollten sich nicht genügen.
Sondern?
Sie müssen Allianzen bilden, um den Bildungsauftrag erfolgreich zu gestalten. Das Ziel ist nichts weniger als ein schönes Leben, die Verteidigung der Demokratie.
Das Stück „German Horror“ verspricht eine „theatrale, audiovisuelle Installation“. Was ist das? Was darf man erwarten?
Ausgangspunkt für die Arbeit war der Wunsch, eine passende Form für die Breite an antifaschistischem Engagement zu finden. Dieses Engagement mag aus aktivem Widerstand bestehen, aus Recherchen, aus Erinnerungsarbeit und Hilfe zur Ermächtigung und ebenso aus einfachen Gesprächen. Hinzu kommt die Frage nach dem digitalen Raum. Wie wir alle auch aus dem Alltag wissen, sind neue und alte Rechte hier sehr aktiv und nutzen verschiedene Plattformen, um ihr menschenfeindliches Gedankengut zu vervielfachen und sich dabei auch noch zu genießen. Wir greifen einige dieser Aspekte auf und wollen das aktuelle Ergebnis unserer Auseinandersetzung dem Publikum zugänglich und erfahrbar machen. Wir nennen das Theater.
In eben jenem Stück wird das Publikum auf die Bühne geladen. Wie machen Sie all jenen Sitzriesen, die lieber „passiv“ im Theater bleiben wollen und zu denen ich mich auch zähle, dennoch Lust, das Stück zu besuchen?
Keine Angst. Das Theater kann auch im weichen Theatersessel geschaut werden.
Bitte vollenden Sie diesen Satz: „Nur im Theater kann man …
… sich richtig gut langweilen.“
Text: Mathias Schulze