Die Rättin, Schauspiel Leipzig, 14. November, 19.30 Uhr, alle Termine: www.schauspiel-leipzig.de
Das Schauspiel Leipzig zeigt „Die Rättin“ nach einem Roman von Günter Grass. Fazit: Das muss man gesehen haben „Nein, nein, nein, noch gibt es uns!“ Der namenlose Mann wehrt sich vehement, später fahriger, verzweifelter. Tilo Krügel spielt ihn wunderbar störrisch und allzu menschlich nach Glück strampelnd, ein Trotzkopf. Was nicht sein kann, kann nicht sein, er ist die Krone der Schöpfung. Dabei hat die Erde ihre scheinbar vernünftigste Gattung längst abgehustet. Zu viele Umweltkatastrophen, der freie Markt hat den Untergang arrangiert. Der namenlose Mann rennt und joggt. Was nicht sein kann, kann nicht sein. Und wenn doch, dann liegt die Schuld nicht bei ihm, sondern immer woanders. Er weiß es, das Menschengeschlecht muss klimafreundlicher und sozial gerechter werden. Folgenloses Gefasel trifft auf politische Versprechungen: „Nein, nein, nein, noch gibt es uns!“ Dabei hängt er als einzig Überlebender in einem Raumschiff fest. Oder doch nicht? Ist alles nur ein Traum? Aber wer träumt denn dann? Alles ist möglich, die Ratten wimmeln, flirten und singen in ihren quietschbunten Kostümen. Was folgt ist ein Dialog zwischen Mann und Ratten, 135 Minuten verzahnt sich alles mit allem. Die Regisseurin Claudia Bauer und der Dramaturg Matthias Döpke haben „Die Rättin“ (1986) von Günter Grass wiederbelebt. Was für eine Auferstehung! Alles ist gleichzeitig da, ein herrlich ausbalanciertes Stück. Es ist sakral, ernst und traurig, gespenstisch und surreal, überdreht, musikalisch, lustig, fiebrig und zart. Im skurrilen Trash gelingt eine Abrechnung mit den wirtschaftlichen Sachzwängen, die zur Zerstörung führen. Das Bühnenbild mit Raumschiff und Bäumen erzeugt mit Live-Musik und karnevalesken Kostümen eine pralle Optik, an der man sich nicht sattsehen kann. Licht, Nebel und Atmosphäre. Grimmsche Märchen treffen auf Fridays for Future, es geht um die sozialen Medien („Außer tausendmal geteilt und kommentiert, ist nichts passiert.“), um die Rolle der Kunst und um Utopien. Überall verschachteln sich Videoprojektionen mit kulturellen Referenzen, Blechtrommel-Oskar inklusive. Der Untergang kommt dennoch. Ein Rausch, ein großartiges Gesamtkunstwerk!