Ein Sommernachtstraum, nächste Vorstellungen am 3. Dezember und 15. Januar, Oper Halle, jeweils 19.30 Uhr; alle Termine: buehnen-halle.de
Walter Sutcliffe ist der neue Intendant an der Oper Halle. Der Sohn einer australischen Dichterin und eines englischen Musikkritikers hat seit 2005 in zehn Ländern Regie geführt. Nun lebt er in Halle. Grund genug, bei Sutcliffe nachzufragen. Ein Gespräch über seine Ziele und Start-Inszenierungen, über Erfolg, Heimat und Schlager
Hallo Walter Sutcliffe, wie eigentlich wird man Intendant an der Oper Halle. Haben Sie sich beworben? Wurden Sie angerufen?
Ich hörte von der Möglichkeit und bewarb mich. Soweit ich sehen konnte, gab es ein recht gründliches Einstellungsverfahren.
Mit welchen Zielen sind Sie nach Halle gekommen?
Ich habe immer zwei grundsätzliche Ziele, die miteinander verwoben sind. Ich wünsche mir künstlerische Befriedigung, und ich wünsche mir, dass möglichst viele Menschen die Oper lieben. Ich bin auch sehr darauf bedacht, die Zukunft der Oper in Halle langfristig zu sichern und ein Team zu entwickeln, das sich auf höchstem Niveau behaupten kann.
Warum haben Sie sich für den „Sommernachtstraum“ und für „Brockes-Passion“ als Start-Inszenierungen entschieden?
Für mich war Brittens „Sommernachtstraum“ die naheliegende Oper nach eineinhalb Jahren Pandemie. Sie zeigt uns, wie wichtig das Theater für uns ist und wie wir mehr über unsere Identität erfahren können – nach einer so langen Zeit ohne solche Möglichkeiten ist es von entscheidender Bedeutung, diesen Spiegel zurückzubekommen, in dem wir uns selbst sehen können. Dieser „Sommernachtstraum“ fasst die meisten meiner wichtigsten Gedanken über das Theater und unsere Erwartungen an kulturelle Aktivitäten zusammen. Das Stück ist äußerst subversiv, und nach zwei abgesagten Produktionen in den letzten 15 Jahren schien es unvermeidlich, dass ich mit diesem Stück beginnen würde.
Und die „Brockes-Passion“ …
… entstand durch einen glücklichen Zufall. Mein Vorgänger in Halle, Florian Lutz, war so freundlich, mich zu fragen, ob ich dieses Stück als Einführung in das Haus inszenieren wolle, und ich war von dem Werk fasziniert. Es schien mir eine Allegorie der modernen menschlichen Entwicklung zu sein. Es sollte eigentlich vor meiner ersten Spielzeit aufgeführt werden, aber wegen der Pandemie haben wir es auf den 3. Oktober verschoben. Es war ein passend provokantes Werk für den Tag der Deutschen Einheit.
Mittlerweile dürften Sie sich schon in Halle eingelebt haben. Wohnen Sie in der Stadt?
Natürlich. Ich versuche immer, der Stadt oder Region, in der ich beschäftigt bin, mein Bestes zu geben. Das bedeutet, dort zu leben und dem Projekt beziehungsweise dem Haus 100 Prozent von mir zu geben.
Haben sich Ihre ersten Eindrücke von Halle bestätigt? Welche waren das? Wie nehmen Sie Halle heute wahr?
Ich denke, dass Halle ein wunderbarer Ort zum Leben und Arbeiten ist. Die Stadt hat schon jetzt viel zu bieten, und sie scheint mir auch voller Potenzial zu sein.
Eine Frage an den Globetrotter: Was ist für Sie eigentlich Heimat?
Mein Zuhause ist dort, wo die Menschen sind, die mir wichtig sind. Aber anders gesehen, ich glaube, dass die Oper international ist und ich habe mich an vielen Orten zu Hause gefühlt: Überall dort, wo es Menschen wichtig ist, Geschichten zu teilen und gemeinsam ihre Fähigkeiten zu entwickeln. In gewisser Weise würde ich sagen, dass ich mich mit der Schaffung meiner eigenen künstlerischen Heimat beschäftige.
Sie haben Fagott am Royal College of Music London sowie Geschichte in Cambridge studiert. Warum sind Sie nicht Musiker oder Historiker, sondern Regisseur geworden?
Das ist eine lustige Frage – die hat man mir im Arbeitsamt auch einmal gestellt … Ich habe ein Studium nie als Beruf betrachtet. Ich habe Musik und Geschichte studiert, weil ich es interessant fand und wusste, dass es mir in jedem Bereich, in den ich einsteigen will, helfen würden. Ich glaube sogar, dass der größte Fehler, den ein Regisseur machen kann, ein Regie-Studium ist. Die besten Regisseure, die ich kenne, haben alle etwas anderes studiert.
Auf der Homepage der Bühnen Halle steht, dass Sie als künstlerischer Leiter der Northern Ireland Opera die Zuschauerzahlen vervierfacht haben. Nehmen Sie diesen Fakt als künstlerische Auszeichnung wahr?
Ja und nein. Ich glaube, dass Theater ein Publikum braucht. Und ein leeres Theater ist sicherlich kein erfolgreiches Theater. Aber ich glaube auch nicht, dass etwas automatisch gut ist, nur weil es vielen Leuten gefällt. Ich muss sagen, dass weder die Kritiken noch die Kartenverkäufe ein Maßstab für den künstlerischen Erfolg sind. Meiner Meinung nach liegt der künstlerische Erfolg in der Verwirklichung eines Projekts und ist ein sehr persönliches Konzept.
Hören Sie eigentlich auch Pop oder Schlager?
Ich denke, dass die Begriffe Pop und Schlager ziemlich weit gefasst sind, oder? Und ein Großteil des Pops ist inzwischen so alt wie die klassische Musik, oder? Wo passen Leute wie Bowie und Hendrix in das Spektrum? Oder Jeff Mills und Derrick May? Ich würde sagen, ich habe einen eklektischen Geschmack.
Text: Mathias Schulze