Erik Lehmann, Bienen-Ersatzverkehr, 20. November, Ulrichskirche, 19.30 Uhr, Tickets: www.cultour-buero-herden.de, www.knabarett.de
Der gebürtige Leipziger Erik Lehmann, Jahrgang 1984, ist ein deutscher Kabarettist, der am 20. November mit seinem Programm „Bienen-Ersatzverkehr“ in die Ulrichskirche kommen wird. Wie es derzeit um das politische Kabarett bestellt ist, hat er uns im Interview verraten
Gegenwärtig gibt es Phänomene wie die EU, Donald Trump, Michael Wendler oder – „hust, hust“ – das Internet. Angesichts dieser Wirklichkeit haben Sie es als politischer Kabarettist schwer, weil man das kaum noch satirisch toppen kann, oder? Oder haben Sie es vielmehr eigentlich momentan ganz leicht?
Da steigen Sie ja gleich mit dem Klassiker aller Fragen ein. Grundsätzlich heißt es in den Branche ja immer: „Je schlimmer die Zeiten, umso besser fürs Kabarett!“ Von daher müssten wir Kleinkünstler gerade die Zeit unseres Lebens haben, wäre da nicht diese Pandemie, die vom Quasi-Berufsverbot, über halbvolle Säle aufgrund der Hygienekonzepte, bis zur kurzfristigen Veranstaltungsabsage wegen Zuschauermangels alles in petto hat. „#stayathome“ oder wie man in unserem Heimatsender stets eingeblendet hat „#WirBleiben- Zuhause“ ist für die Kulturbranche der Todesstoß. Aus medialer Sicht hätte ich nix gegen diesen Slogan, wenn im Fernsehen und in den dazugehörigen Mediatheken mehr gehaltvolle, künstlerische Darbietungen auftauchen würden. Aber wenn meist nur Comedy ohne irgend eine Aussage oder sinnentleerte Schlagerfestivals gesendet werden, wirkt die Aufforderung, das Haus nicht zu verlassen, auf mich eher zynisch. So, jetzt habe ich mein branchenübliches Leid geklagt, ganz nebenbei meinen Bildungsauftrag abgearbeitet, Klischees bedient und Vorurteile verfestigt und kann nun beruhigt auf Ihre Frage antworten.
Wunderbar.
Kabarett hat es nie leicht, egal welche Verhältnisse herrschen. Außer natürlich man macht es sich leicht, aber dann nimmt man den Job nicht ernst. Der Narr im Mittelalter hatte einen privilegierten Platz gleich neben dem Herrscher, doch wenn er den Bogen zu weit überspannte, war er der Erste, der geteert und gefedert wurde. Über manche Kollegen und Kolleginnen bin ich heute oft erstaunt, wie sie sich selbst gewissen Inquisitionsmethoden unterziehen, um ihrem Publikum zu gefallen. Die einen rennen regelrecht fanatisch einem Klientel hinterher und merken gar nicht, wie sie sich selbst pfählen und das dann auch noch als Rückgratzeigen darstellen.
Andere sind wiederum so haltungslos, dass sie wahllos nach allen Seiten austeilen, was einer moralischen Vierteilung gleichkommt. Ich begreife die Kunst der Satire immer auch als eine Art Verführung des Auditoriums, um dann bei Gefahr des Gemeinmachens mit dem Publikum das vermeintliche Band zu brechen. Diesen Spagat versuche ich in meinem Typenkabarett auf der Bühne zu meistern. Das treibt mich an.
Volker Pispers bezeichnet das politische Kabarett einmal sinngemäß als einen Ablasshandel: Karte kaufen, betroffen sein, nach Hause gehen und so weiter machen wie bisher. Sehen Sie das auch so?
Größtenteils sitzen natürlich die im Saal, die grundsätzlich mit einem einer Meinung sind. Die Aufgabe des Kabarettisten sehe ich darin, diese Erwartungshaltung zumindest ein stückweit zu hintergehen. In den letzten Jahren ist das Publikum aber auch heterogener geworden und es kommen öfter Widerworte aus dem Saal. Wenn diese sachlich bleiben und dem Kabarettisten die Möglichkeit lassen, darauf satirisch zu reagieren: Wunderbar! Denn das ist dann der Idealzustand im Kabarett. Ein direkter Diskurs. Bierglaswürfe und Parolen-Geschreie, so etwas kommt ja inzwischen mitunter auch vor, sind aber Auswüchse, die jeglichen Rahmen sprengen.
Was treibt Sie entschlossener auf die Bühne: der Glanz des Rampenlichts oder die Lust, Aufklärung zu betreiben?
Das ist wieder so eine spitzfindige, journalistische Frage, die mir schmeicheln soll. Sie Schlingel!
Wie Sie wollen.
Jeder, der eine Bühne betritt, will im Glanz des Rampenlichts strahlen. Wer das Gegenteil behauptet, ist ein schlechter Lügner. Wie schon gesagt, verraten sich einige meiner Kollegen und Kolleginnen dann aber oft inhaltlich. Nämlich, wenn da nix groß an Inhalten ist. Mich ödet nichts mehr an, als das ständige Anbiedern ans Publikum; der Drang, geliebt werden zu wollen. Wohl auch deshalb mag ich das Figurenspiel auf der Bühne so sehr. Eine Figur kann Dinge denken, sagen und auch verteidigen, die man selbst, als Satiriker, nicht glaubhaft machen könnte, ohne sich zu verheddern. Ich kenne Kabarettkollegen, denen ich eine politische Tätigkeit eher anraten würde, als die schwerlich zu ertragende Pseudo-Satire, die sie auf der Bühne pflegen.
Beim Thema Aufklärung halte ich es, wie mit den Pointen. Aufklärung und Pointen sollten als Abfallprodukt über die Bühnenkante kullern. Alles andere grenzt dann an agitatorisches Zeigefingerkabarett oder eben das Abfeiern billiger Witzchen. Der englische Schriftsteller William Hazlitt meinte einmal: „Der Witz ist das Salz der Unterhaltung, nicht die Nahrung.“ Meine Meinung dazu: Daumen hoch.
Was gibt es beim „Bienen-Ersatzverkehr“?
In meinem aktuellen Programm bringe ich als Mr. Bien der deutschen Kleinkunstszene alles rund um die Biene auf die Bühne und setze dabei gesellschaftspolitische Stiche. Das Publikum erfährt alles über Fake-Honig zu Schleuderpreisen und kann sich Tipps zum Umgang mit hummeldummen Königinnen holen. Ich versuche, die großen Themen unserer Zeit auf Wabengröße zu komprimieren und überrasche mit zwerchfellsträubenden Erkenntnissen. Als Humorist mit Schwarm präsentiere ich einen zuckersüßen Abend zwischen Infotainment und Kabarett über das wichtigste Insekt der Welt.
Text: Max Feller