Jochen macht Triathlon, 3. Juni um 21.30 Uhr im Hof der Feinkost in der Karl-Liebknecht-Straße 36; 12. Juni um 20 Uhr in der Kinobar Prager Frühling, weitere Termine möglich: www.jochen-macht-triathlon.de
Der gebürtige Hallenser Larsen Sechert vom Leipziger „Knalltheater“ legt mit „Jochen macht Triathlon“ sein Spielfilmdebüt vor. Ein sehenswerter Selbstermächtigungsstreifen voller absurder Szenen. Am 3. Juni ist Weltpremiere
47, Raucher, arbeitslos. Mehr Merkmale braucht Jochen zu Beginn nicht. Eins vorweg: Auf der Berlinale war „Jochen macht Triathlon“ nicht zu sehen. Voller sehenswerter Szenen ist er trotzdem. Anfangs geht es um Jochens Tristesse, ein Einzelschicksal ist es nicht.
Der Transkriptor und Autor Daniel Weißbrodt spielt Jochen. Dass er keine schauspielerische Ausbildung genossen hat, erweist sich für diese Rolle als Glücksgriff. Ob Jochen von einem gelernten Schauspieler auch so gut gespielt werden könnte? Wer weiß.
Jedenfalls schaut man Jochen dabei zu, wie er regungslos und bar jeglicher Emotionen guckt und sitzt. und guckt und raucht. Und steht. Zwischendrin werden Nasenhaare gezogen. Das Klappfahrrad steht im Keller, die Schultern hängen, die Tennissocken sind akkurat nach oben gezogen. Ein sozial deformierter Mensch, einsam und verlassen.
Schaut man Jochen zu, fängt man an, seinen Blick auf die Welt zu teilen – das ist eine große Leistung des Films. Zusammen mit Jochen schaut man auf den Grünauer Plattenbau, auf die quirlige Welt, die Lichtjahre entfernt vom eigenen Empfinden vorbei segelt.
Jochen ist von sich selbst und der Welt abgekapselt. Das ist beklemmend, so wird die politische Ebene, das Hartz-IV-System und der Niedriglohnsektor, mit Leben gefüllt. Zugleich ist es auch lustig und skurril. Der Film schafft Momente, in denen die politischen Härten das Zwerchfell kitzeln, gute Musik (Brass, Weltmusik, Hip-Hop) inklusive.
Jochen lernt seine erwachsene Tochter (Ronja Rath) kennen. Nun will er sein Leben in die Hand nehmen, die Tochter beeindrucken und einen Triathlon absolvieren. Da sieht man Jochen im Jobcenter sitzen, für die Sachbearbeiterin ist er ein Kunde, aber er will noch einmal umschulen. Die Dame zuckt verächtlich. Ein Zucken, das Jochen noch lange quälen wird – langsam entwickelt er Emotionen.
Und dann fährt die Jobcenter-Dame ihren höhenverstellbaren Schreibtisch hoch und runter. Eine geniale Szene! Zudem erreichen einige Dialoge des Filmes Samuel- Beckett-Qualität. Tochter: „Und worüber denkst du so nach?“ Jochen: „Unterschiedlich.“ Tochter: „Spannend!“
Sechert erzählt keine Geschichte, wonach ein jeder seines Glückes Schmied sein kann. Weißbrodt muss für die langsame Selbstermächtigung Jochens nur die Schultern geraderücken. Entdeckt Jochen, dass er imstande ist, etwas zu fühlen, hat er schon viel gewonnen. Ein gelungenes Spielfilmdebüt.
Text: Mathias Schulze