Grenzerfahrungen. Hommage zum 100., Ausstellung in der Kunsthalle in der Talstraße, vom 25.9.21–27.2.22, Eröffnung am 24.9. um 18 Uhr, Info unter: www.kunstvereintalstrasse.de
Die Kunsthalle des Kunstvereins „Talstrasse“ gilt seit langem als einer der besten Ausstellungsorte für die bildnerischen Gewerke in der Flussmetropole. Am Kröllwitzer Ufer der Saale ist das Haus seit vielen Jahren Garant für Überraschung und Genuss. Am 24. September steht nun die Eröffnung der Schau „Grenzerfahrungen“ an
Die Pflege vor allem der Kunst der Moderne bis zur Gegenwart ist dabei das ureigene Feld des rührigen Vereins, der mit vielen Ausstellungen von in Mitteldeutschland wurzelnden Künstlern wie auch der internationalen Avantgarden zu punkten wusste. Mit der Eröffnung der Schau „Grenzerfahrungen. Hommage zum Hundertsten“ am Freitag, den 24.9., um 18 Uhr wendet er sich einer Gruppe Maler und Bildhauer zu, die eng mit Halle verbunden sind und doch zum Teil weit über die Stadt hinaus wirkten.
Die 100. Geburtstage der Maler Hermann Bachmann, Werner Rataiczyk (Abb., „Totenklage Sidi Chalifa“, 1960, Öl auf Hartfaser, © VG-Bild-Kunst), Willi Sitte und Hannes H. Wagner sowie der Bildhauerin Mareile Kitzel und des Bildhauers Gerhard Lichtenfeld in den Jahren 2021 und 2022 veranlassen den Kunstverein zu einer besonderen Hommage. Die sechs Künstlerinnen, die in den Nachkriegsjahren ihre Wirkungsstätte an der Saale fanden, prägten mit ihren künstlerischen Auffassungen wesentlich das kulturelle Klima der Stadt, die in den 1950er Jahren massiv in die Kritik der SED-Kulturpolitik geriet.
Es ist eine Zeit, in der die damals jungen Maler und Bildhauer – inspiriert von der Klassischen Moderne – in ihrem Schaffen große Nähe zueinander entwickelten. Die Nachkriegsjahre waren für die Künstler eine Zeit der Selbstfindung wie auch der Experimente. Diese offenen und kreativen Jahre währten allerdings nicht lange. Wellenartig kam es wieder und wieder zu Diskussionen um Realismus und Formalismus.
Und während Hermann Bachmann und Mareile Kitzel die DDR verließen, um im anderen Teil Deutschlands ihre künstlerische Arbeit unter freien Bedingungen weiterzuentwickeln, fanden Werner Rataiczyk, Hannes Wagner und Gerhard Lichtenfeld immer wieder Nischen in einem immer totalitärer werdenden System. Willi Sitte, der sich noch bis Ende der 1950er intensiv mit seinen Parteigenossen heftige Dispute über seine Arbeit lieferte, wird in einem langsamen Prozess Teil des DDRMachtapparats.
Sechs Biografien, die in den frühen Nachkriegsjahren große Nähen trotz vieler Unterschiede aufweisen. Für die Eröffnung am 24. wird Rainer Robra, Kulturminister des Landes, erwartet. Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog.
Text: André Schinkel