„Heine. Wintermärchen“, 7. und 24. Oktober, Volksbühne Halle, 19.30 Uhr, Tickets: www.volksbuehne.jonsch.net
In einer dreiteiligen Serie nähert sich die Volksbühne Halle dem Phänomen „Deutschland“. In „The Kraut“ singt und spielt Jennifer Krannich Marlene Dietrich, in „Baal“ nähert sich Frank Schilcher dem Frühwerk Brechts. Und in „Heine.Wintermärchen“ gibt es ein fulminantes Martin Reik-Solo: Mathias Schulze hat es sich angeschaut
Irgendwann im Laufe des Stückes wird man dazu gezwungen, irgendwann überwältigt die Wucht Martin Reiks, irgendwann muss man den Versuch, alles verstehen zu wollen, aufgeben. Und dann fängt der Spaß erst richtig an! Da kann man vorab seine Heinrich Heine-Kenntnisse abchecken: Ja, „Deutschland. Ein Wintermärchen“ ist ein satirisches Versepos. Ja, da werden Reiseeindrücke, der Militarismus und das Deutschland der Restaurationszeit gnadenlos vorgeführt. Status: Weltliteratur!
Betritt Martin Reik die Bühne, hängt im Hintergrund eine Landkarte, das E-Piano wird von hochprozentigen Spirituosen umstellt. Sofort bekundet der in Deutschland von Zensur Bedrohte und deswegen nach Frankreich Emigrierte seine noch pochende Vaterlandsliebe: „Ich habe Sehnsucht nach weißen Socken in Sandalen!“
Dann wird es explosiv, melancholisch, dramatisch und scheppernd. Texte, Lieder, historische Bezüge und popkulturelle Referenzen werden mit Verve und Sarkasmus ineinandergeschachtelt.
Was das mit Heine zu tun hat? Worum es eigentlich genau geht? Irgendwann ist alles egal!
Reik türmt mit kräftiger Sprache Monolog auf Monolog, da erkennt man Ton Steine Scherben, Jesus und Helge Schneider, da werden Lieder von Schorsch Kamerun und Franz Schubert gespielt. Reik reißt das Publikum in die Zerrissenheit desjenigen, der sein Vaterland eigentlich lieben möchte – nur die Verhältnisse sind nicht so. Von depressiv bis euphorisch („Geiles Sauerkraut!“), von liebestoll bis zum Exzess ist alles dabei. Trashig wird von der Liebe und dem Zerfall erzählt, gelegentlich erklingt die mahnende Stimme von Wolfgang Engel, der sich auch mal kurzzeitig auf den Bühnenthron wagt.
Obwohl auch unsinniger Spott auf „Fridays for Future“ zu hören ist, lautet das Fazit: Anschauen! Am besten alle drei Teile! „Baal“ läuft am 1. Oktober, „The Kraut“ am 9. und 10. Oktober. Beginn ist immer 19.30 Uhr.
Text: Mathias Schulze