Die Kuh aus Kröllwitz, Premiere: 29. April, Volksbühne am Kaulenberg, 20 Uhr, alle Termine: www.kabady-comerett.de
Alexander Terhorst vom freien Theater Apron hat ein Kabarettstück geschrieben: „Die Kuh aus Kröllwitz“. Vom 29. April bis 29. Mai gibt es sechs Abendvorstellungen in der Volksbühne am Kaulenberg, am 2. Mai wird um 15 Uhr im Burggraben der Moritzburg gespielt. Grund genug, bei Terhorst nachzufragen
Hallo Alexander Terhorst, mit „Die Kuh aus Kröllwitz“ stecken Sie die Nase aus dem Lockdown. Angekündigt ist ein von Ihnen selbst geschriebenes Kabarettstück mit einer gehörigen Portion Lokalkolorit. Was erwartet den geneigten Besucher? Kabady und Comerett. Zwei Schauspieler spannen den Bogen vom Cabaret über die politische Satire bis hin zum Nonsens. Wir stecken die Nase nicht nur raus aus dem Lockdown, sondern rein ins lange unterbeschäftigte Zwerchfell. Denn wir alle leiden unter einer andauernden Unterbelüftung des Hirns. Die rasante Veränderung unserer sozialen Beziehungen, das Bedeckungsgebot und die schwammige Moral einiger Entscheider haben uns zu einer zynischen Gesellschaft gemacht. Die Hirnsynapsen sind durch den kulturellen Shutdown unterfordert und die Empathie digital. Hier braucht es professionelle Hilfe. Wir werden unser Publikum komplett durchimpfen. Jeder, der sich vordrängelt, kommt dran. In der ersten Reihe sind die Chancen am größten.
Zum Lokalkolorit: Muss man eine waschechte Hallorin sein, um bei Ihnen Spaß zu haben?
Natürlich. Vor allem die Männer. Wer sich freiwillig als Salinesack verkleidet, kommt kostenlos rein. Nein! Nichts für ungut. Aber wer blöde Fragen stellt, bekommt blöde Antworten.
Schön. Dann versuche ich es ausnahmsweise mit einer klugen Frage. Vom ZDF-Magazin-Royale mit Jan Böhmermann bis zum Seniorenhobby, von der Heute-Show bis Uwe Steimle, von Georg Schramm bis Mario Barth: Vieles wird als Kabarett oder Comedy bezeichnet, tritt im Namen der Satire in die Öffentlichkeit: Welche Spielart legen Sie denn vor?
Ganz verschiedene Spielarten. Denn genau um diese Frage geht es: Wo fängt politisches Kabarett an, wo hört es auf? Bin ich schon intellektuell, weil ich darüber nachdenke, worüber ich gleich gelacht haben werde? In „Die Kuh aus Kröllwitz“ trifft ein Möchtegern- Comedian, gespielt von Matthias Rohrschneider, auf einen vermeintlich gestandenen Alt-Kabarettisten – meine Wenigkeit. Musikalisch begleitet werden wir von einem russischen Diktatur-Pianisten namens Alexander Goldenberg. Und wir befragen Live-Gäste von gestern für die Antworten von morgen. Darunter Kurt Tucholsky, Klaus Kinsky, Ilka Bessin und Mario Barth.
Holla, die Waldfee!
Damit wollen wir ein völlig neues Format entwickeln. Ich nenne es „Kabady & Comerett“. Außerdem werden wir drei Hallenser unsere geliebte Heimatstadt besingen. Und zwar aus einem ganz neuen Blickwinkel. Ein echter Knaller. Das Halle-Lied „Die Kuh aus Kröllwitz“ feiert Weltpremiere. Wer will, kann den Titel schon jetzt vorhören und auf www.kabady- comerett.de herunterladen. Dort gibt es auch den Link zu den Terminen und zu den echten Tickets. Eigentlich kaum zu glauben. Dann treffen wir uns „in echt“ mit mehreren fremden Menschen in einem Raum oder im Freien. Ganz ohne Videochat. Ich glaube, das heißt Realsatire.
Was macht schlechtes und was sehr gutes Kabarett Ihrer Meinung nach aus?
Entscheidend ist der Standpunkt. Vor allem, dass man überhaupt einen hat. Schlechtes Kabarett tritt nach unten, erklärt Minderheiten zu bösen Eliten und befördert Verschwörungsmythen. Gutes Kabarett ist aus meiner Sicht nahe an feingeistigem Journalismus, schwarzhumorig verpackt. Hier lacht das Publikum von unten nach oben. Im besten Falle auch über sich selbst. Das mache ich übrigens täglich. Es gibt kaum Amüsanteres als die Fettnäpfchen, in die man selbst getreten ist.
Zum Abschluss die Klassiker-Frage: Was darf Satire? Und was nicht?
Da bleibe ich ganz bei unserem Stargast Kurt Tucholsky: Alles! Vorausgesetzt, es ist Satire. Und wann ist etwas Satire? Wenn es einen wunden Punkt trifft, ohne nur geschmacklos oder hämisch zu sein. Und da sich über Geschmack bekanntlich nicht streiten lässt, liegt letztlich alles – in der Kunst wie im Leben – in den eigenen Erfahrungen, Sinnen und der Toleranzfähigkeit. Mal sehen, wie weit wir da gehen können.
Text: Mathias Schulz