„Schwanengesang oder Punkt, Punkt, Pause, Punkt“ – mit Matthias Brenner und Nele Heyse, 22. Februar, Volksbühne am Kaulenberg, 19.30 Uhr
Die Schriftstellerin Nele Heyse, Jahrgangs 1954, die in Halle und Berlin lebt, hat beim Mitteldeutschen Verlag den Gedichtband „Liebe rechnet sich nicht“ vorgelegt. Zudem hat sie zusammen mit ihrem Mann, Matthias Brenner, Anton Tschechows „Schwanengesang“ bearbeitet. Herausgekommen ist ein Theaterstück, das am 22. Februar in der Volksbühne am Kaulenberg Premiere feiern wird. Grund genug, bei Heyse nachzufragen
In ihrem Gedichtband habe ich eine Feier des Absichtslosen (das Schwimmen, Wandern oder Träumen) entdeckt. Glauben Sie, das sich dieses Treibenlassen heute schwerer leben lässt, als früher?
Interessante Frage. Ich muss aber sagen, dass in diesen Tätigkeiten immer auch eine Absicht steckt. Nur ist es keine Absicht, die sich in abrechenbaren äußeren Dingen zeigen muss. Vielmehr geht es um innere Vorgänge, ein inneres Öffnen und Entfalten, gern auch Verweilen im Innen. Ich ersehne es, schon von klein auf, immer die beste Variante von mir zu werden, also das, was mir mitgegeben wurde, nicht zu schwänzen, sondern sichtbar werden zu lassen.
Die Gedichte …
... fliegen mich an, müssen geschrieben werden. Weil sich da etwas klären will, erlösen sie mich gewissermaßen. Natürlich ist es dann beglückend, wenn sie wiederum auch bei anderen Menschen etwas auslösen können. Das erhoffe ich mir besonders für die politischen Gedichte. Auch wenn die erst einmal den gleichen rein Ich-bezogenen Anlass haben. Angesichts der uns umgebenen Welt, die immer weiter in den Irrsinn eilt, hilft mir die konzentrierte Gedichtform, mit meiner eigenen Verwirrung umzugehen.
Über die eigene Verwirrung zu reden, ist vielleicht ein guter Kommunikationsweg, um der gesellschaftlichen Spaltung entgegenzuwirken. Verwirrung statt Parolen.
Das glaube ich auch. Den leisen Tönen zuhören! Zuhören und sich ins Gegenüber hineinversetzen! Zumindest es versuchen!
Noch einmal zum Gedichtband, allein der Titel „Liebe rechnet sich nicht“ könnte Bücher füllen.
In die Liebe muss man sich reinschmeißen. Diplomatie ist in der Liebe völlig fehl am Platz.
Das bedeutet auch, dass man verletzt werden kann, dass man selbst verletzt.
Auf jeden Fall. Aber ganz sicher nicht mit voller Absicht oder Berechnung. Wissen Sie, auch wenn es paradox klingt, wenn sich im Laufe meines Lebens jemand aus einer Liebe verabschiedete, war das zwar immer zutiefst traurig für mich, aber gleichzeitig empfand ich für den, der den Schritt vollzog, auch so etwas wie Mitleid. Es musste doch für ihn gleichermaßen ein schmerzhafter Vorgang sein. Verlieben – und leider auch Entlieben – passiert uns. Kein gesunder Mensch beginnt ein Liebesverhältnis, um den anderen zu quälen, zu verraten und zu zerstören. Liebe ist ein Geschenk, ein leider fragiles, was nicht immer leicht zu bewahren und zu erhalten ist. Wer da mit Prinzipien kommt, hat verloren. Genauso haben Rechnungen und Schuldzuweisungen in der Liebe keinen Platz.
In Ihren Gedichten trifft das innere Kind auf den Prozess des Älterwerdens. Das innere Kind ist das, was wir ansprechen, wenn wir einen inneren Dialog führen. Aber wie ist das mit dem inneren Kind? Verändert sich das mit den Jahren? Oder bleibt das immer gleich?
Bei mir bleibt das innere Kind naiv und vertrauensvoll. Verändert hat es sich nur insofern, dass es früher im direkten Kontakt, also im Zwiegespräch mit dem lieben Gott stand, der wirklich ein liebender Gott – kein drohender oder rächender – für mich war. Er kannte meine Abgründe, auch jene, die ich anderen Menschen nicht sagen konnte. Ich hatte das volle Vertrauen zu ihm, das Wissen, dass er mich trotzdem liebt und versteht. In meiner Kindheit war es noch ein Makel, wenn man rothaarig und sommersprossig war. Dazu war ich Stotterin, besuchte die Weimarer Sprachheilschule. Ich wurde verlacht, auch von Erwachsenen und von anderen Kindern ausgegrenzt und viel verdroschen. Da meine Großmutter sagte, böse Menschen hätten keine Freunde, phantasierte ich mir die Freunde, die nicht nach Äußerlichkeiten urteilten, herbei.
Was hat es mit dem Stück „Schwanengesang“ auf sich?
Was wir, also Matthias und ich, zur Aufführung bringen, haben wir uns frei nach Tschechow geschrieben. Ein alter ehemals erfolgreicher Schauspieler erwacht nachts auf der Bühne. Offensichtlich ist er vergessen worden. Da trifft er im verlassenen Theater auf eine Souffleuse, die dort Unterschlupf gefunden hat. Sie werden nun, wie schon während beider Bühnenleben, einander brauchen. Der Schauspieler hat vieles vergessen oder verdrängt. Die Souffleuse dagegen leidet darunter, nichts vergessen zu können. Sie weiß noch jedes Wort, jede Geste, jede Pause zwischen den Worten, die hier einmal gesagt wurden. Nur im Schutzraum des Theaters war es ihr möglich, mit dieser Leidenslast zu überleben. Für den alten Schauspieler ist sein Leben ein dunkles Loch, in dem das Publikum verschwunden ist. Wie ein altes Ehepaar werden sie miteinander lachen, singen, tanzen, streiten und sich versöhnen. Viele witzige Dialoge sind entstanden. Ich hoffe, dass uns da etwas gelungen ist, bei dem auch manche Träne weg gelacht werden kann.
Wir sind gespannt!
Das komplette Interview ist auf facebook.com/HalleFrizz zu finden.
Text: Mathias Schulze