Monty Python’s Spamalot, bis 1. Juli, Oper Halle; Die Party, bis 27. März, nt-Kammer, alle Termine: buehnen-halle.de
Der gebürtige Leipziger Peter Dehler, Jahrgang 1963, ist an den Bühnen Halle kein Unbekannter. Jetzt führt er Regie in der großen Mehrspartenproduktion „Monty Python's Spamalot“. Das Musical von Eric Idle und John Du Prez basiert auf den Film „Die Ritter der Kokosnuss“. Das FRIZZ-Magazin hat Peter Dehler zum Gespräch gebeten
Hallo Peter Dehler, wussten Sie, dass Sie einen Wikipedia-Eintrag haben? Schreiben Sie da mit?
Ich weiß, dass ich einen Eintrag habe, kümmere mich aber nicht darum, weil ich, ehrlich gesagt, nicht weiß, wie das geht.
Dort ist notiert, dass Sie nach dem Abschluss der 10. Klasse eine Berufsausbildung als Elektriker erhalten haben. Haben Sie jemals als ein solcher gearbeitet, und wie sind Sie zum Theater gekommen?
Ich habe nach meiner Lehre 1981 bis 1985 in einem Umspannwerk des Energiekombinats in Leipzig als Elektriker gearbeitet, aber ich wusste sehr früh, dass ich etwas anderes machen muss. Ich war von 1980 bis 1982 in einer Amateurband mit dem Namen „Knäckebrot“. Und ich fand es auf der Bühne immer sehr schön. Im November ’82 wurde ich zur NVA zum Grundwehrdienst einberufen, dort lernte ich Leute kennen, die sich in der Leipziger Pantomime- Szene auskannten. Ich wollte Pantomime ins Bühnenprogramm der Band einbauen. Also ging ich nach der Armee zum „Poetischen Theater“ Leipzig, das der Karl-Marx- Universität angegliedert war, und wurde Hilfstechniker bei der Pantomime- Gruppe. Und ich durfte auch am Training teilnehmen. Meine Bandkollegen waren mittlerweile auch bei der NVA, ich musste ein Jahr warten, bis sie wiederkommen würden. Ich übte also Pantomime und tingelte als Liedermacher mit einem eigenen Programm durch die Kirchen und Clubs von Leipzig.
Dann kam das Theater.
Durch viele Zufälle wechselte ich von der Pantomimegruppe zur Theatergruppe und wurde, für mich völlig überraschend, mit einer Hauptrolle besetzt. Ich hatte im April 1985 meine erste Premiere in Majakowskis „Die Wanze“. Das war sehr erfolgreich, so bewarb ich mich in Berlin an der Schauspielschule „Ernst Busch“. Ich wurde gleich genommen, begann 1986 mein Schauspielstudium.
Als die Mauer fiel, waren Sie dann Student an der „Ernst Busch“. Wissen Sie noch, was Sie damals dachten und fühlten? War es Angst, Neugierde, Erleichterung?
Für mich kleinen Provinzsachsen war Berlin der Wahnsinn. Jeden Tag fuhr ich auf dem Weg zur Schauspielschule vier Stationen direkt an der Mauer lang. Da konnte ich den Westen sehen. Aber das hat mich gar nicht interessiert, mir war damals was klar: Mit 30 werde ich einmal im Westen gewesen sein, mit 40 werde ich entscheiden, wo ich leben will. Die Schauspielschule war so frei und so anstrengend, dass ich keine Zeit hatte, über den Westen nachzudenken. Am 15. November ’89 hatte wir unser Intendanten-Vorspiel, aber viele Intendanten schauten sich lieber den Westen an – stattdessen kamen viele Westintendanten zu unserem Vorspiel. Ich bin am 12. November nach Westberlin gefahren, habe als erstes Noten gekauft – von „Fame“. Dann hab’ ich in einem Keller in Kreuzberg unter einem Mao-Plakat meinen ersten Pornofilm gesehen. Im Rückwärtslauf! Das war schon alles sehr aufregend.
Bitte vollenden Sie diesen Satz: „Mein größter Irrtum ’89 war, dass …
… ich glaubte, nun werde ich all die Rockkonzerte nachholen, die ich bis dahin versäumt hatte. Ich hörte im Westradio immer, wer alles gastierte: Sting, Lindenberg, Rio Reiser und so weiter. Aber Sting habe ich erst 12 Jahre später gesehen und Udo erst vor zwei Jahren. Das bereue ich auch ein wenig. Freddy, verpasst, Bowie verpasst, auch Leonhard Cohen werde ich nicht mehr sehen.
Jetzt haben Sie für „Monty Python’s Spamalot“ den Regiehut auf. Der Weg zur Oper war ein langer, oder?
Durch meine Rockbandursprünge hatte ich immer ein Faible für die Musik. Viele meiner ersten eigenen Stücke waren mit Bands auf der Bühne. Dann kam die erste Revue „Zwei Krawatten“, die „Dreigroschenoper“, „Cabaret“, „Jesus Christ Superstar“ oder auch „Hair“ folgen. Und endlich kam auch Fame, leider nicht mit der Originalmusik vom Film, sondern in der Musical-Version. Aber auch sehr sehenswert. Zwischendurch habe ich beispielsweise auch Mozart- Opern und Operetten inszeniert. Musik ist ein wunderbarer Verstärker für die großen Gefühle, ich sehe das gern, auch die Zuschauer mögen es. Es muss nicht immer Goethe, Kleist oder Heiner Müller sein, obwohl mich diese Arbeiten immer am meisten herausgefordert haben.
Monty Python gehört zum kollektiven kulturellen Gedächtnis und hängt wie ein großes Richtschwert über jeder Neuinszenierung. Spielt Ihr Stück den Spirit der Legenden nach, oder wird er neu verarbeitet?
So wie Monty Python ist, ist es perfekt. Das ist schwer zu brechen oder neu zu interpretieren. Wir haben uns also sehr an die Vorgaben der Meister gehalten. Und liegen damit sicher richtig.
Aktuell läuft auch noch „Die Party“ im nt. Der Film von Sally Potter kam 2017 ins Kino. Warum haben Sie den Film auf die Bühne gebracht? Was kann im Theater passieren, was man nicht schon zuvor auf der Leinwand gesehen hat?
Der Film ist relativ unbekannt und geschrieben wie ein Theaterstück, also ist es keine dieser üblichen Adaptionen, die sich an den Erfolg eines Filmes dranhängen. Das habe ich natürlich auch schon gemacht mit „Olsenbande“, „Sonnenallee“ oder „Solo Sunny“. Aber im Falle von „Party“ war es das Stück selber und nicht der Film, der mich interessiert hat. Außerdem ist es immer wieder erstaunlich, wie groß der Unterschied zur Leinwand doch ist, weil im Theater immer etwas Neues passieren kann und passiert. Das geht im Kino nie, es sei denn, der Film reißt.
Text: Mathias Schulze