SojaaZ, 20. März, Objekt 5, 20 Uhr
Das hallesche Ensemble SojaaZ mit Olaf Koall, Thomas Piontek, Steffi Friedrich und Jörg Grieger spielt im März Jazz, Soul, Funk oder Schlager im Objekt 5. Mit dabei: Die Sängerin Annika Doherty, die die schwer angesagte Reihe „Female Artist“ ins Leben gerufen hat. Mathias Schulze hat Doherty zum Gespräch gebeten
Sie arbeiten als Musikpädagogin, Sängerin und Komponistin. Wie sind Sie zum Gesang gekommen? Ist jemanden aufgefallen, dass die „Duschgeräusche“ ganz gut waren?
Der Gesang kam wohl, dank meiner Mama und meines Papas, zu mir. Kurz nach meiner Geburt und dem ersten Schrei fing ich zu singen an. Im Auto meines Vaters, im Kindergarten, in der Schule und am liebsten vor der Anbauwand unserer Neubauwohnung. Mein Vater war Berufsmusiker, er nahm mich mit auf die Bühnen, die er selbst bespielte. Mit sechs Jahren stand ich dann zum ersten Mal auf einer großen Bühne. Die Duschgeräusche waren also gut, und meinem Umfeld fiel das unweigerlich auf.
Lassen Sie uns über die Kulturtechnik des Singens reden: Was ist das für eine Tätigkeit? Was macht sie mit uns?
Mit unserer Geburt erhalten wir alle eine einmalige, individuelle Stimme. Diese Tatsache allein ist fantastisch. Jede Stimme steht für sich, und doch erschaffen wir durch die Kulturtechnik des Singens ein Gefühl von Gemeinschaft, eine Verbindung, die ohne Sprachkenntnisse auskommt. Das uns körpereigene Instrument ist ein Lottogewinn. Durch das Singen stärken wir unser Abwehrkräfte durch die Bildung von Immunglobulin A. Es ist nachgewiesen, dass wir beim Singen Glückshormone ausschütten. Endorphine, Serotonin, Dopamin und Adrenalin werden freigesetzt und verbessern damit unseren Gefühlszustand.
Wenn wir singen, …
… können wir unsere Angst überwinden. Wie oft habe ich als Kind im Dunkeln gesungen. Kinder singen ständig und viel, einfach weil sie Lust haben oder weil sie instinktiv wissen, wie sie sich beruhigen können. Kinder experimentieren mit ihrer Stimme. Kinder nutzen ihre Stimme und das Singen instinktiv, sie machen es einfach und denken nicht an Scham oder ob das jetzt gut klingt. Kinder sind frei von Bewertungen. Leider bleibt dieser Zustand nicht immer erhalten.
Weil?
Beim Erwachsenwerden geben wir diese Natürlichkeit auf und tauschen diese gegen Kontrolle, Bewertung und Schamgefühl. Schade! Dabei ist das Singen in Gemeinschaft eines der schönsten Erlebnisse, die Menschen miteinander in Verbindung bringt. Wer schon mal im Chor gesungen hat, weiß, wie magisch das sein kann und wie schön es sich anfühlt, wenn sich die kleinen Härchen am Arm aufstellen und ein Kribbeln den Körper erfasst. Wenn wir zusammen singen, schüttet unser Körper das Kuschelhormon Oxytocin aus – wie bei der Geburt, beim Stillen eines Kindes oder beim Sex. Vielleicht verlieben sich Menschen deshalb gern beim Singen. „Wenn wir zusammen singen, schüttet unser Körper Kuschelhormone aus. Vielleicht verlieben sich Menschen deshalb gern beim Singen.“
In welchen künstlerischen Projekten sind Sie gerade aktiv?
Bei „Female Artist“. Das ist eine musikalische Reihe im Objekt 5, die ich ins Leben gerufen habe und gemeinsam mit anderen Frauen und einer tollen Band umsetze: Sechs Sängerinnen und Musikerinnen aus Halle und Leipzig interpretieren Songs weiblicher Künstlerinnen. Bei „Anouk – das Kindermusical“ habe ich mit der Kinderbuch-Autorin und Frau von Peter Maffay, also Hendrikje Balsmeyer, und dem Sänger und Produzenten Jens Gilles Songs für das Musical getextet und komponiert. Wir und weitere Künstler haben dazu eine passende CD produziert und auch selbst die Songs eingesungen. Auch Peter Maffay war ein großer Förderer dieses Projektes und ist auch auf der CD zu hören. Das Musical gastiert am 2. März im Steintor-Varieté Halle.
Wir vergessen SojaaZ nicht.
Natürlich nicht! Dieses Projekt entstand mit Freunden, die ich durch den Gospelchor Joy’n’us kennenlernte. Hier kann ich meine große Freude am mehrstimmigen Satzgesang voll ausleben und gleichzeitig eigene Arrangements bekannter Songs erschaffen. Genau mein Ding! Und beim Trio Nichts für länger schreibe ich eigene Songs mit zwei wundervollen Instrumentalisten. Dieses Projekt bedeutet mir sehr viel, da wir unsere eigenen kleinen Songs schreiben. Beim Weihnachtssingen im Steintor-Varieté bin ich auch dabei, und dieses Jahr kommen mit „Pink Floyd Tribute” (Objekt 5) und dem Rio-Reiser-Abend im Literaturhaus noch interessante Projekte hinzu.
Was sehen Sie, wenn Sie sich die hallesche Kunst- und Musikszene anschauen? Was kann verbessert werden?
Für mich ist Halle eine pulsierende Stadt mit vielen kulturellen Angeboten. Ich weiß nicht, was „wir“ verbessern können. Ich weiß nur, dass die Menschen die Szene mehr nutzen könnten und sollten. Die Künstler und Künstlerinnen brauchen das Publikum, so wie unsere Seelen die Kunst. Wir brauchen uns gegenseitig. Wenn die Sitze leer bleiben, schaffen wir Kultur ab – und uns gleich mit.
Bitte vollenden Sie diesen Satz: „Wer am 20. März nichts ins Objekt 5 kommt …
… verpasst eine Reise in eine Klangwelt mit einzigartigen Stimmen und kraftvollen Satzgesängen und die Chance, sich in uns und sich selbst zu verlieben. Von konzentriert sensibel über witzig frech bis sich gegenseitig anfeuernd und motivierend musikalisch entführen wir die Gäste in die Soundtracks ihres Lebens.
Text: Mathias Schulze