Trotzburgfestival, 10. Juni bis 3. Juli, Oberburg Giebichenstein, alle Veranstaltungen: www.trotzburgfest.de
Das Stadtmuseum Halle lädt vom 10. Juni bis zum 3. Juli zum „Trotzburgfes- tival“ ein. Es gibt ein sattes Programm, 17 Konzerte und ein Theaterstück finden auf der Oberburg Giebichenstein statt. Mit dabei sind beispielsweise die Seldom Sober Company, Miss Allie, Bastian Bandt oder auch „Die Zöllner“. Und am 12. Juni spielt um 16 Uhr „Dr. Donner“ – eine begnadete Band aus Leipzig, die mit fetten Brass ordentlich einheizen wird. Grund genug, bei Paul Quistorp von „Dr. Donner“ nachzufragen. Ein Gespräch über New Orleans, Rassismus, Traditionen und den Brass
Hallo, Paul Quistorp, erzählen Sie bitte mal: Wer ist „Dr. Donner“?
Wir haben uns 2018 gegründet und bestehen aus insgesamt 10 Bläsern, Schlagzeugern und einer Person für den Gesang.
Was spielen Sie so?
Wir spielen vor allem die traditionelle Musik von Brass-Bands aus New Orleans. Traditionell heißt dabei nicht althergebracht und verstaubt, sondern bedeutet eine gelebte Tradition. Es geht um Musik, die von Generation zu Generation weitergegeben wird und dabei immer ein bisschen verändert und weiterentwickelt wird. Wir spielen aber auch Coverversionen von Soul- und Popsongs. Seit neuestem haben wir die ersten eigenen Stücke im Programm.
Kann eine Brass-Coverversion einen Song ganz besonders verändern?
In der Tat! Nehmen wir beispielsweise die Brass-Version von „Love Will Tear Us Apart“ von Joy Division. Bis zum Einsetzten des Refrains ist das Original schwer zu erkennen. Als Brass-Cover fügen wir dem Song eine Prise Hoffnung und Groove hinzu. In unserer Arbeit versuchen wir, nicht das Original zu kopieren, sondern gehen kreativ mit dem Material um. Im Sinne der New Orleanser Kultur wollen wir den Songs, die wir spielen, unsere ganz eigene Note geben.
Sie waren selbst in New Orleans. Was ist da los?Welchen Spirit geben Sie weiter?
New Orleans ist ein musikalischer Schmelztiegel. Sie müssen sich vorstellen, es gibt jeden Abend bestimmt 30 Konzerte mit Musikern aus den unterschiedlichsten Kulturen. Jeden Sonntag gibt es einen großen Umzug, der „Second-Line“ genannt wird. Der Begriff verweist auf traditionelle Beerdigungen, bei denen der Sarg und die Trauergäste in der ersten Reihe laufen und in der zweiten Reihe die Band, also die „Second-Line“, spielt. An den Sonntagen feiern aber auch die sogenann- ten „Social Aid and Pleasure Clubs“ ihre jährlichen Jubiläen. Diese entstammen noch der Zeit der Rassentrennung. Damals war es People of Color (PoC) verboten, in verschiedenste Versicherungen einzutreten, beispielsweise in eine Versicherung, die die Kosten von Beerdigungen übernimmt. Daher schlossen sich PoC in ihren Communitys zusammen und organi- sierten sich in den Clubs, um sich gegenseitig den Schutz, den eine Versicherung bieten würde, zu gewährleisten.
Mittlerweile …
… ist das natürlich anders, die Clubs gibt es aber immer noch. Bei diesen sonntäglichen „Second- Lines“ spielen Brass-Bands, es gibt Tänzer, Lautsprecherwagen, die Bounce-Musik spielen, und verschiedene Stationen mit mobilen Grillständen. Die Stimmung ist ausgelassen, es wird getanzt und gelacht. Die Menschen versuchen ihre Sorgen für einen Moment zuvergessen und gemeinsam eine gute Zeit zu haben. Und egal, wie reich oder arm man ist oder welche Hautfarbe man hat: Auf einer „Second-Line“ sind alle gleich!
Sie spielen auch Straßenmusik. Erzählen Sie, was waren die schönsten, die schrecklichsten und die skurrilsten Erlebnisse?
Mir fallen dabei spontan Begegnungen ein, die wir bei einem Musikvideo-Dreh hatten: Wir sind durch Leipzig gezogen und haben unseren Song gespielt. Spontan schlossen sich dann verschiedenste Menschen zum Tanzen an. Auf der anderen Seite ist es auf der Straße natürlich nicht so strukturiert wie bei einem Bühnenauftritt: Mal muss man sich mit dem Ordnungsamt, mal mit anderen Straßenmusikern arrangieren. Bisher haben wir das aber immer geschafft und hatten viel Spaß dabei.
Warum sollte man am 12. Juni unbedingt auf die Oberburg Giebichenstein kommen?
Es gibt diesen Spruch: „Musik kann vielleicht nicht die Welt retten, aber deine Seele.“ Wir laden ein, die Probleme des Alltags für einen Moment zu vergessen, mit uns in die Musik einzutauchen und mit neuer Energie wieder auf- zutauchen. Unsere Musik ist vielschichtig, komplex und eingängig zugleich. Am 12. Juni kommen nicht nur Freunde von Soul, Pop und Jazz auf ihre Kosten, sondern jeder, der Bock hat, mit uns abzugehen, wird es nicht bereuen!
Kann ich bestätigen!
Text: Mathias Schulze