Tipp: Im Juni 2021 ist das Buch „Lebenszeichen“ von Moritz Götze im Mitteldeutschen Verlag erschienen.
Das letzte Wort in diesem Monat hat Moritz Götze, ein international gefeierter Künstler, der seiner Heimatstadt Halle immer treu geblieben ist. Götze, 1964 geboren, hat zunächst Möbeltischler gelernt, bevor er als Autodidakt die Malerei und Grafik für sich entdeckte. Er ist der Protagonist der deutschen Pop-Art, der unter anderem herrlich farbige Bilder malt, die zugleich tief melancholisch sind.
Hallo Moritz Götze, wenn Sie in diesen Tagen an Halle denken, welches Kompliment würden Sie der Stadt und/oder ihren Bewohnern machen?
Ich bin viel unterwegs, komme viel rum und merke, dass mir sehr an Halle gefällt, dass hier die soziale Durchlässigkeit zwischen den Menschen groß ist. Alle sozialen Schichten kommen miteinander aus, sitzen gemeinsam in einer Kneipe an einem Tisch und reden munter aufeinander ein. Ein Paradebeispiel dafür ist die Burgstraße, da findet sich vom Student bis zum Professor über den soliden Handwerker bis zum wilden Kreativen und verwahrlosten Alkoholiker alles – das ist ein grandioses und fruchtbares Gefüge.
Und welchen Tadel würden Sie ihr aussprechen?
Wenn man über Halle liest und in die Geschichte schaut, da ist die Stadt nie gut weggekommen, sondern wird oft als hässlich und stinkend beschrieben. Dieses Spröde und Verwegene haftet der Stadt heute immer noch an. Man muss das Schöne suchen und wenn man es gefunden hat, dann ist man verzaubert. Was mich tatsächlich stört, ist die gesamte Situation am Riebeck- Platz. Es ist mir unverständlich, dass dieses Verkehrsungetüm so aufwendig saniert wurde und dadurch auf Jahre festgeschrieben ist. Und, dass die Hochstraße immer noch nicht abgerissen ist, sondern eine herbe Schneise mitten in die Stadt schlägt, ist grausam. Und ich verstehe nicht, weshalb 31 Jahre nach der Wende das historische Rathaus auf dem Markt nicht wieder aufgebaut ist – eine der Wunden, die noch nicht wieder geheilt wurde und sichtbar klafft.
Was glauben Sie, welche drei Dinge werden in Halle nach der Corona- Zeit anders sein?
Ich hoffe, dass wir die alte Unbefangenheit zur Nähe wieder erlangen, dass die Leichtigkeit ins Leben zurückkehrt, und wir so einander begegnen können, wie wir es gern möchten.
Welchen Kulturtipp in oder aus Halle würden Sie unbedingt empfehlen?
Ich möchte unbedingt die Ausstellung der Fotografin Leni Sinclair im Literaturhaus empfehlen. Die Fotografin hatte durch ihren Mann, John Sinclair, privaten Zugang zu Musikern wie John Coltrane, Miles Davis, Thelonious Monk, Sun Ra, Iggy Pop, John Lennon, Yoko Ono und vielen anderen. So entstanden ab Mitte der 60er Jahre fotografische Dokumente großer Konzerte und intime Einblicke ins Leben der Stars – die Ausstellung ist bemerkenswert. Außerdem ist im Löwengebäude der Universität eine Ausstellung über das Braunkohlenrevier zu sehen – „Unser Revier Mitteldeutschland im Wandel“. Die Geschichte unserer Stadt hat ja ganz viel mit Braunkohle zu tun – die Ausstellung ist toll, und gleichzeitig kann auch das Löwengebäude an sich mal bestaunt werden.
So, und jetzt wirklich: Ihr letztes Wort?
Die Arbeit geht weiter.
Text: Annett Krake