Das letzte Wort hat in diesem Monat der hallesche Lyriker, Literaturkritiker, Lektor und Dozent André Schinkel. Er wurde 1972 in Eilenburg geboren, wuchs in Bad Düben und Holzweißig bei Bitterfeld auf. Nach einer Lehre als Rinderzüchter studierte er Kunstgeschichte, Germanistik und Archäologie in Halle. Doch dies waren alles nur Stationen auf seinem Weg, ein über Deutschland hinaus agierender Dichter und Denker zu werden. Jetzt ist sein neuestes Werk „Die Schönheit der Stadt, die ich verlasse“ im Mitteldeutschen Verlag erschienen
Hallo André, wenn Sie in diesen Tagen an Halle denken, welches Kompliment würden Sie der Stadt und/oder ihren Bewohnern machen?
Ich bin zweimal, nein, dreimal nach Halle gekommen: 1988 in die Lehre, 1992 ins Studium und 2015 nach großen Turbulenzen, die mein ganzes Leben veränderten. Ich habe eine Weile gebraucht, die raue Zärtlichkeit und das geradeause Wesen der Hallenser zu verstehen und zu schätzen. Ich möchte es nicht mehr missen und nehme es mit an die Orte, zu denen ich muss. Halle ist eigen und schön, ich habe nicht gemerkt, dass ich die ganzen Jahre über Halle schrieb, seine Ambivalenz, seine Lage inmitten der Welt. Vielleicht kann ich schon längst nicht mehr weg, auch wenn mein neues Buch etwas anders klingt. Ich liebe diese Stadt still, sie ist der Ort einiger Menschen, die mir sehr viel bedeuten. Das ist das beste Kompliment, rum wie num.
Und welchen Tadel würden Sie ihr aussprechen?
Diese Stadt möge stolz auf das sein, was sie ist – sie ist voll Kultur und Geschichte, voller cooler Käuze und Leute – viele Hallunken darunter – die für sie einstehen und sprechen. Sie soll sich, wenn die Abendsonne durch die Türme der Marktkirche scheint, ein wenig florentinisch fühlen. Sie soll sich nicht kleinmachen, was sie oft tut.
Was glauben Sie, welche drei Dinge werden in Halle nach der Corona-Zeit anders sein?
Ich hoffe, dass die Vereinzelung durch die Lockdowns nicht fortschreitet, der Hunger der Menschen nach einem Miteinander erhalten bleibt, die Kunst- und Kulturszene nicht einbricht. Wir werden vorsichtiger sein in vielem, uneins womöglich. Ich fürchte aber auch, gegen die aktuellen Verwerfungen in der Welt könnte Corona nur das Vorspiel und ein Geplänkel gewesen sein. Ich glaube an die Liebe, die Kunst und die Schönheit und möchte die Hoffnung, die darin liegt, nicht aufgeben.
Welchen Kulturtipp in oder aus Halle würden Sie unbedingt empfehlen?
Eigentlich sollte man die Theater und Museen dieser Stadt, das Literaturhaus, die Lesereihe im Volkspark, die Galerien und Buchläden unausgesetzt besuchen und sie so in ihrer Bedeutung ehren. Es gibt so wunderbare Dinge hier wie die Lesebühne „Kreis mit Berg“, das Landesmuseum für Vorgeschichte; ja, und die Kneipenszene, am Reileck etwa, wo ich mich zuhause fühle. Und ich empfehle von Herzen, die Spielerinnen der Halle Lions zu unterstützen – sie bieten ab Herbst wieder Erstliga-Basketball in der Nietlebener Straße.
So, und jetzt wirklich: Ihr letztes Wort?
Habt euch lieb, wie sich’s gehört, nehmt euch ernst, haltet euch an Frieden und Solidarität, geht ins Theater, ins Kino, in den Zoo, schaut euch Ausstellungen an, lest Bücher. Und: Ein bisschen bleibe ich noch, versprochen.
Text: Annett Krake