Da ist der Monat März, der noch mehr Frühling verspricht und bei wohligen Temperaturen die Welt der Bücher aufmischt. Das letzte Wort hat Dr. Jeannette Drygalla. Sie ist Autorin und Initiatorin der Schreibgruppe „BandSchreibenVorfall“, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlerin, Mediatorin und Coach. Drygalla, 1969 in Halle geboren, war zuletzt als Schulleiterin tätig, bis sie aus gesundheitlichen Gründen die Pausentaste drücken musste. Zudem ist die couragierte Frau von 2011 bis 2019 kommunalpolitisch tätig gewesen und Mutter von zwei flüggen Kindern.
Frau Drygalla, bitte vollenden Sie diesen Satz: In Halle hat mich in letzter Zeit besonders aufgeregt, dass …
… der Fokus oft auf dem liegt, was aufregt, was stört oder fehlt, also auf dem Negativen. Als Lokalpatriotin wundere ich mich oft, wie weit das Außen- und oft auch Innenbild von Halle und das, was die Stadt zu bieten hat, auseinanderklaffen. Dennoch gibt es Dinge die mich ärgern: Intransparenz in Entscheidungen und dass diese oftmals von personellen statt von sachlichen Aspekten bestimmt sind. Beispielhaft der Theaterstreit.
Was muss sich ändern?
Transparenz statt Dschungel. Und klare Prioritätensetzung. Ich habe bei politischen Entscheidungen erlebt, dass eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben wird und das Vorliegen dieser dann als Argument für die Umsetzung dient. „Yes we can!“ Wird aber erst dann zu einer kraftvollen Nachricht, wenn wir wissen, was dahintersteckt.
Transparenz heißt auch, eine Fehlerkultur zu etablieren und Fehler oder Missstände zu ergründen. Um diese zu beseitigen. Unbedingt auch für Vorgänge mit antisemitischem, rassistischem oder diskriminierendem Hintergrund. Schuldzuweisungen helfen nicht, sondern es geht darum, Verantwortung zu übernehmen. Das Handeln nach vorne richten und den Blick in die Vergangenheit nicht verschließen. Solidaritätsbekundungen – in welcher Form auch immer – sind wichtig, aber nur ein Anfang um dann strukturelle Ursachen zu ergründen. Das sind nicht alles Einzelfälle.
Welcher Ort in der Stadt ist Ihnen der liebste?
Der Ochsenberg. Dort hat meine Großmutter verstanden, dass die Welt rund ist, haben meine Eltern geknutscht und meine Kinder Drachen steigen lassen.
An welchen Ort in der Stadt würden Sie Besuch von außerhalb indes nie führen?
Es gibt Gegenden, in die ich seltener komme. Aber ich würde mich weigern, Regionen mit einem nie zu belegen. Ich wohne in Giebichenstein, bewege mich von dort aus oft mit Fahrrad durch Stadt und Umland, seltener in Richtung Süden. In der Silberhöhe bin ich kaum, obwohl ich hier mit meinem Vater gewohnt habe und zur Schule gegangen bin.
Welche Pläne und Visionen haben Sie für die Zukunft?
Ich wünsche mir einen Fokus auf Bildung, Kunst und Kultur. Stärken, was da ist! Das Konvolut der Moritzburg fällt mir dazu ein. Wir haben mehr Kunst als Platz dort ist. Hier ist Handlungspotenzial. Für Bildung ist die Gleichstellung von freien und staatlichen Trägern ein wichtiges und dringliches Ziel. Das ist kein Thema der Stadtpolitik, kann aber von dort unterstützt werden. Im Verbinden von Kunst, Kultur und Bildung liegt eine große Chance. Eine Vision wäre, dass Halle hier Vorreiterstadt wird.
Für Schreibende würde ich mir wünschen, dass Einzelinitiativen mehr unterstützt werden. Hier gibt es nicht nur uns. Bestehendes zusammenbringen, Platz zum Lesen und Veröffentlichen schaffen. Aus eigenem Erleben weiß ich, wie hilfreich und heilsam kreatives Schreiben sein kann. Das leitet über zu meinem persönlichen Wunsch: Von der Pausentaste wieder auf „Play“ drücken. Bald!
Text: Annett Krake