Das letzte Wort in diesem Monat hat der hallesche Fotograf und Medienkünstler Marcus-Andreas Mohr. Mohr, 1971 in Lutherstadt Eisleben geboren, studierte Design an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein sowie Medienpädagogik an der Universität Rostock. Heute ist er freischaffend national und international tätig
Hallo, Marcus-Andreas Mohr, wenn Sie in diesen Tagen an Halle denken, welches Kompliment würden Sie der Stadt und/oder ihren Bewohnern machen?
Halle hat eine beeindruckende Widerstandsfähigkeit. Die Stadt trägt ihre Geschichte in den Fassaden, den Straßen, den Köpfen – manchmal als Ballast, manchmal als Antrieb. Sie hat sich oft gewandelt, wurde verlassen, besetzt, unterschätzt – und doch ist sie immer wieder aufgestanden. Was ich bewundere, sind die Menschen,
die hier aus wenig viel machen. Künstlerinnen, Aktivistinnen, Radiomacherinnen, Kneipenleute – sie halten diesen Ort lebendig, oft ohne große Mittel, aber mit Haltung und Ideen.
Und welchen Tadel würden Sie ihr aussprechen?
Halle könnte mutiger sein. Die Stadt hat alles, um eine Kulturmetropole zu sein, aber sie traut sich selbst oft nicht genug zu. Es gibt großartige Projekte, aber sie kämpfen um Aufmerksamkeit, um Räume, um Anerkennung. Die Verengung auf das vermeintlich Bewährte, auf Sicherheit, nimmt oft den Mut für Experimente. Das spürt man in der Kulturförderung, in der Stadtplanung, manchmal auch in den Köpfen. Ich wünsche mir mehr Risikobereitschaft, mehr Vertrauen in das Unfertige, mehr Offenheit für das Unbequeme.
Kriege, Klima, Inflation – überall Krisen. Wie gelingt es Ihnen, optimistisch zu bleiben?
Indem ich hinschaue. Das klingt paradox, aber ich glaube, Hoffnung entsteht nicht aus Verdrängung, sondern aus Auseinandersetzung. Fotografie hilft mir dabei: die Welt in Ausschnitten betrachten, sie rahmen, ihre Vielschichtigkeit sichtbar machen. Ich sehe überall Brüche, aber auch Menschen, die sich nicht entmutigen
lassen. Junge Leute, die sich einmischen. Kunst, die Fragen stellt. Begegnungen, die nicht auf Profit basieren. Das hält mich wach und gibt mir Grund, weiterzumachen.
Welchen Kulturtipp in oder aus Halle würden Sie unbedingt empfehlen?
Unbedingt: Radio Corax. Nicht, weil ich selbst dort aktiv bin, sondern weil es ein einzigartiger Ort ist – unkommerziell, unangepasst, mutig. Ein Medium, das sich nicht vom Markt bestimmen lässt, sondern von Ideen. Hier gibt es Stimmen, die sonst nirgends zu hören sind. Und wenn es etwas Analoges sein soll: der Verein die
„Helle Kammer - Raum für Fotografie“, der Bilder nicht nur ausstellt, sondern diskutiert, hinterfragt, lebendig macht – zuletzt und zukünftig im Literaturhaus Halle.
So, und nun wirklich ein letztes Wort.
Neugier. Sie ist der Schlüssel zu allem.
Text: Annett Krake