Geneigte Leser und LeserInnen,
so viel politisch korrekte Zeit muss heute ja sein. Wer etwas auf sich hält, weiß das – beziehungsweise hat es gelernt. Insbesondere an deutschen Universitäten. Dort geht heute keine Hausarbeit mehr in die Wertung, die nicht gegendert ist. Wie gesagt, die geneigten Studierenden von heute wissen das. Was sie aber mit Sicherheit nicht wissen, ist, dass das Gendern vom großen deutschen Feministen und Philosophen Helge Schneider erfunden worden ist. Denn der textete bereits 1997: „Ich bin der Wurstfach-, ich bin der Wurstfach-, ich bin der Wurstfachverkäuferin“. Vor diesem Hintergrund muss sich die Universität Leipzig übrigens Plagiatsvorwürfe gefallen lassen. Sie führte 2013 die offizielle Bezeichnung „Herr Professorin“ ein. Eine Bezeichnung, die – genauso wie Schneiders Lied – einer gewissen Komik nicht entbehrt. Mit dem Unterschied allerdings, dass der Text von Herrn Professorin Schneider im Vergleich zu den echten Gelehrten wenigstens noch zu einem philosophischen Ende kommt: „Ich bin der Wurstfachverkäuferin / denn die Wurst ist mein Lebenssinn“.
Und an dieser zutiefst deutschen Lebenseinstellung hat sich auch 23 Jahre danach nichts geändert. Oder vielleicht doch eine Kleinigkeit. Heute ist billige Wurst unser Lebenssinn. Oder besser gesagt unsere Obsession, an der wir uns auch gerne abarbeiten. Deutschlands größter Fleischproduzent, Clemens Tönnies, ist in diesem Drama der Teufel, Sklavenhalter, Ausbeuter, Corona-Züchter. Allein er hat im letzten Jahr 57 Millionen Schweine schlachten lassen. Wir alle wissen, wo die herkommen. Massentierhaltung – unerträglich, ekelhaft! Wir wiederum sind in diesem Drama die guten Deutschen, die all das auf das Schärfste verurteilen, gern auch anonym in irgendeiner der Empörungsmaschinen im Internet. Wie dann aber das Kilo Rippchen für 4,44 Euro in unseren Einkaufswagen gekommen ist, ist uns vollkommen rätselhaft. Wahrscheinlich war es der Teufel. Was will man machen. Schließlich ist Sommer und Deutschland geht grillen. Guten Appetit!
Eike Käubler
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