„Mache ich doch mal einen Spielfilm!“
Der freie Schauspieler Larsen Sechert hat in Leipzig nicht nur mit seinem Knalltheater bei großen und kleinen Theaterzuschauern längst Kultstatus erlangt. Jetzt kann er sich auch noch Regisseur eines Spielfilmes nennen, „Jochen macht Triathlon“ wurde dieses Jahr in Leipzig und Umgebung gedreht und soll nächstes Jahr in die Kinos kommen. Grund genug, bei Sechert nachzufragen
Ich reibe mir verwundert die Augen: Sie haben einen Film gedreht? Wie kam es dazu?
Dazu muss ich etwas länger ausholen. Als 17-Jähriger, das war 1993, habe ich in Halle an der Saale, am damaligen fünften Heidetriathlon, meinen ersten Triathlon absolviert. Nachdem ich als vorletzter Brustschwimmer aus dem Wasser stieg, mich gefühlte zehn Minuten umgezogen habe, noch immer in dem Glauben, dass ich sie auf dem Rad alle kriege, kam ich dann, nachdem ich auf der Laufstrecke auch noch falsch abgebogen bin, schließlich als Vorletzter ins Ziel. Ich höre noch den Sprecher, der grad mit dem Abbau beschäftigt war: „Oh, da kommt noch ein Teilnehmer.“
Das klingt absurd. Und niederschmetternd.
Die Erfahrung war so niederschmetternd, dass ich es erst einmal mit dem Triathlon wieder gelassen habe. Und doch schmorte in mir der Wunsch, irgendwann mal im Leben eine Langdistanz zu finishen. Die Bilder von Hawaii haben mich oft zu Tränen gerührt. Dann, mit Ende Dreißig, wenn beim Mann die Midlife-Crisis anklopft, fing ich wieder mit dem Training an – wie auch viele andere Männer Ende Dreißig. Ich trotzte meiner mangelnden Begabung und bereitete mich über das Jahr 2019 auf die Langdistanz vor.
Von Beruf bin ich freier Schauspieler und Spielleiter. Meine Arbeitszeiten gestalten sich sehr unterschiedlich, lassen aber immer ausreichend Lücken fürs Training. Im „Langdistanzjahr“ stellte ich aber mit leichtem Unbehagen fest, dass ich mehr Zeit mit meinem Triathlon-Hobby verbringe als in meinem Beruf.
Das Leben schreibt komische Geschichten.
Und da kam mir der Gedanke, beides miteinander zu verbinden.
An einem Roman war ich eh schon dran. Da dachte ich mir, obwohl ich davon keine Ahnung habe: Mache ich doch einen Spielfilm! Denn auch das schmorte schon länger in mir. Aber neben der Erfüllung persönlicher Wünsche, die im Übrigen niemals ohne die Hilfe von so zahlreichen tollen Menschen um mich herum möglich gewesen wäre, hat mich die Frage interessiert: Was ist im Leben, trotz verblasster Jugend, noch möglich?
Worum geht es im Film überhaupt?
Der Film handelt von einem Mittvierziger, der, vom Leben abgehängt, sein blasses Dasein als Arbeitsloser fristet. Dann begegnet er auf kuriose Weise seiner erwachsenen Tochter, von der er bis dato nichts wusste. Mit dem Wunsch, die Tochter stolz zu machen, entschließt er sich, obwohl er ein geborener Körperklaus ist, einen Triathlon zu absolvieren und erlangt im Zuge seines Trainings Stück für Stück Selbstermächtigung.
Wie würden Sie die Ästhetik beschreiben?
Der Film wird eine Komödie, die mit schrägen, absurden Elementen für Lebensfreude sorgen soll. Darin schleichen aber auch so manche dramatische Züge herum. Zum Beispiel dann, wenn unser Filmheld Jochen feststellt, dass er viele Chancen im Leben tatenlos hat verstreichen lassen. Es ist also eine Art Dramödie.
Woher nahmen Sie das Equipment, die Schauspieler, das liebe Geld?
Die teuersten Posten waren Kamera und Tonequipement. Die Kamera (eine Blackmagic Ursa Mini) hat unsere Kameramann Paul Schlesier relativ günstig in Berlin erstanden. Unser Tonmann Sascha Kiesewetter brachte seine Utensilien selbst mit. Das Übrige (Gimbal, EasyRig, Stativ, Leuchten, GreenScreen, Objektive usw.) haben wir uns geliehen oder kam aus schon vorhandenem Besitz. Alles was Geld kostete, habe ich bezahlt. In den letzten Berufsjahren hatte ich viel Glück, so dass ich mir ein kleines Häufchen ansparen konnte. Die Schauspieler waren vorwiegend Kollegen und Bekannte. Große Überzeugungsarbeit musste ich glücklicherweise bei niemanden leisten. Alle, auch vom übrigen Team, waren vom Konzept und Drehbuch überzeugt.
Auf welche Schwierigkeiten sind Sie während der Dreharbeiten gestoßen?
Die Schwierigkeiten begannen schon am Anfang. Unser Hauptakteur Daniel Weißbrodt stolperte zwei Tage vor Beginn der Dreharbeiten über sein Druckerkabel und fing sich eine Rippenprellung ein. Damit waren Schwimmen, Radfahren und Laufen erstmal passé. Wir mussten den gesamten Drehplan umstellen. Oder: Bei Dreharbeiten in Leipzig-Grünau (ein Neubaugebiet ähnlich wie Halle-Silberhöhe oder Halle-Südstadt) wurde vom Hochhaus aus mit einem rohen Ei nach uns geworfen. Zum Glück verfehlte es uns und die Kamera. Trotzdem haben wir ab da bei jedem Take die Kamera doppelt und dreifach geschützt. Im Film sammelt unser Held (Achtung Spoilergefahr!) Pfandflaschen auf der Straße. Für diese Szene platzierten wir solche im Drehbereich. Der befand sich auf einem öffentlichen Platz. Dummerweise wurden unsere Requisiten von einem professionellen Flaschensammler eingesammelt. Wir versuchten ihm, die Situation zu erklären. Aber er verstand uns nicht. So mussten wir warten bis er weiterzieht.
Gab es beim Dreh auch besonders erfreuliche Dinge?
Erfreulich waren die vielen glücklichen Zufälle während der Dreharbeiten. Das Bombenwetter bei den OpenAir-Drehs, die Hilfe des Romano Sumnal e.V., die uns eine Woche ihre Wohnung kostenfrei zur Verfügung gestellt haben, die Bibliothekarinnen, die für unseren Dreh in ihren Räumlichkeiten noch extra Bücher besorgten, die tollen Kleindarsteller beim Triathlondreh und die vielen, vielen Helfer, die stunden- und tagelang aus Überzeugung an der Sache rackerten. So viel Wärme und selbstlose Hilfe erleben zu dürfen, ist für mich nach wie vor schwer fassbar.
Die Postproduktion wollen Sie in Corona-Zeiten über Crowdfunding schaffen. Das ist ja noch so eine verwegene Idee, oder?
Ja, das ist es. So viel Glück wir mit den Umständen und dem Wetter während der Dreharbeiten hatten, so viel Pech hatten wir mit dem Zeitpunkt des Crowdfunding-Startzeitpunktes. Wenige Tage vor dem Beschluss eines zweiten Lockdowns sind wir gestartet. Nun müssen wir damit leben und hoffen, dass die Motivation, das Filmprojekt zu unterstützen, bei denen aufkommt, deren wirtschaftliche Situation es zulässt. Immerhin gibt es Gegenleistungen, u.a. die DVD oder den Roman, also Dinge, die man sich anderweitig auch weiterhin, trotz Corona, kaufen würde. Es ist also keine Spendenaktion – und trotzdem, wie Sie sagen, ein verwegenes Vorhaben.
Bleiben wir beim Verwegenen. Ins Kino soll der Film auch noch kommen. Was muss man denn dafür alles tun?
Zunächst einmal muss man einen Film herstellen, der in Bild- und Tonqualität den Ansprüchen eines Kinos standhält. Dann muss man eine Art Sechser im Lotto gewinnen und eine Kinoauswertung kriegen. Oder, und das wird unser Weg sein, man wendet sich an die Chefs kleiner Programmkinos und sendet ihnen Fotos mit unseren sympathisch lächelnden Gesichtern, auf denen geschrieben steht: „Wenn Sie unseren Film in Ihrem Kino zeigen, dürfen Sie am Laufschuh unseres Hauptdarstellers riechen.” Wenn das nicht zieht, weiß ich auch nicht.
Rechnen wir einmal mit einem überwältigenden Erfolg: Wie würden sie den, Stand jetzt, definieren?
„Jochen macht Triathlon” ist ein Herzensprojekt. Wenn der Film Interessenten findet und denen eine schöne Zeit bereitet, ist schon alles erreicht. Wie viele den Film sehen werden und ob der Erfolg durch die Decke geht, kann man nicht vorhersehen. Letztlich sind wir allesamt No-Names. Aber wir geben unser Bestes!
Planen Sie noch weitere Filme?
Ja, ich werde an weiteren Filmprojekten arbeiten. Das werden wohl One-Take-Filme werden - da braucht man nicht so viele aufwändige Takes. Einen Titel habe ich schon: „Die Philosophie einer Salatgurke”. Darin geht es um die Philosophie einer Salatgurke.
Gut, dass Sie das noch einmal erklärt haben. Danke für das schöne Gespräch!
Wir danken auch wie verrückt!
Text: Mathias Schulze