Buch „Gerulf Pannach: Als ich wie ein Vogel war. Die Texte“ Lukas Verlag Berlin 2021.“
Damit die Erinnerungen an den 1998 verstorbenen DDR-Liedermacher Gerulf Pannach nicht verblassen. Über das Buch „Als ich wie ein Vogel war. Die Texte“, haben wir mit Autor Christian Kunert gesprochen
Hallo, Christian Kunert, zuerst diese Frage: Wie geht es Ihnen?
Och, ganz gut. Danke. Ich bin ein fröhlicher, versoffener Rentner. So, wie ich früher ein fröhlicher, versoffener junger Mann war.
„Als ich wie ein Vogel war“ will Gerulf Pannachs Werk vor dem Vergessen bewahren. Warum?
Gerulf Pannach war mit sei- nem freiheitssehnsüchtigen Gepolter ein ziemlich einzigartiges Phänomen in der DDR. Seine Suche nach Wahrheit und seine provokanten Neigungen zu Unbestechlichkeit haben einige Brüche in seinem Lebenslauf verursacht wie Berufsverbot, Knast und Ausbürgerung, was dazu führte, dass er als Songpoet nicht gebührend wahrgenommen wurde. Sein früher Tod hat verhindert, dass er daran noch etwas hätte ändern können. Wir machen nun noch ein bisschen Wind, damit jüngere Generationen eine Chance bekommen, zu erfahren, dass es einst einen wortgewaltigen Songwriter aus Leipzig gab – weit entfernt von Shows mit Glitzer, Flutlicht und Feuerwerk.
Welche gegenwärtigen Erzählungen über die DDR stören Sie eigentlich heute am meisten?
Ach – stören. Es gibt Erzählungen über die DDR, die mit mei- nen Erinnerungen korrespondieren. Und es gibt Verklärung und Nostalgie und Reinwaschungsversuche – das stört mich nicht mehr als anderes törichtes Gerede. Ärgerlich wird es allerdings, wenn es ins Demagogische abrutscht. Wie bei diesem Tatort-Professor, der staatliche Corona-Maßnahmen mit den Repressionen der Stasi verglich. Da befindet er sich auf einer Ebene mit dem Querdenker-Girlie, das behauptete, sie fühle sich angesichts des Lockdowns wie Anne Frank. Und beide sind geistig nicht weit entfernt von einem Parteivorsitzenden, der die Jagd auf Demokraten propagierte.
Sie sind gebürtiger Leipziger: Was sehen Sie, wenn Sie heute durch die Stadt schlendern?
Ich bin in einer Stadt geboren, die voller Ruinen und Baulücken war. Wollte man da ein Auto sehen, musste man ’ne ganze Weile warten, bis mal eins vorbei geknattert kam. Daran hatte sich, bis ich die Stadt mit 24 Jahren verlassen musste, auch wenig geändert. Aus der Ferne hab’ ich dann immer große Sehnsucht gehabt nach meinem Leipzig, das ich nicht mehr besuchen durfte. Inzwischen ist ein gewaltiges, trubelndes Gemeinwesen daraus geworden, ansehenswert, lebendig, spannend. Nur – so richtig meins ist es nicht mehr.
Text: Mathias Schulze