Till Brönner & Band: Silent Night – Das Weihnachtskonzert, 25. November, Steintor-Varieté, Halle, 20 Uhr, Tickets unter www.kaenguruh.de
Als Deutschlands erfolgreichster Jazztrompeter der Geschichte bedient Till Brönner, Jahrgang 1971, mehrere Musikgenres. Und seine Weihnachtstourneen sind mittlerweile Tradition. Auch dieses Jahr zelebriert die „Silent Night“ die schönsten Advents- und Weihnachtslieder aus aller Welt in einer stimmungsvollen Atmosphäre. Grund genug, bei Brönner nachzufragen. Ein Gespräch über Barack Obama, Ost-West-Reibungen und über sein Verhältnis zur Trompete
2009 wurden Sie zum Professor an die Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ in Dresden berufen. Unterrichten Sie noch in Dresden?
Ja, dort unterrichte ich weiterhin mit großer Freude, aber nur zu 25 Prozent, sonst würde ich meine anderen Belange nicht schaffen. Es ist schön zu sehen, dass viele Leute bei uns rauskommen und dann auf stabilen Beinen stehen können.
Sie sind 1971 in Nordrhein-Westfalen geboren. Und kommen dadurch um die Klassiker-Frage nach der West-Ost-Reibung nicht herum.
Diese Ost-West-Reibung empfinde ich als inspirierend. Aber ich muss unterscheiden: Im Musikbereich stoße ich auf Menschen, die schon in der DDR Musik gemacht haben. Da sind viele Freundschaften entstanden, in denen ich keine Unterscheide mehr feststelle. Im Alltag ist es anders.
Beim Bäcker oder Fleischer?
Metzger sage ich ja.
Sehen Sie!
Ja, also beim Metzger oder Bäcker ergeht es mir so, wie es mir überall ergeht, wo ich nicht aufgewachsen bin. Egal, ob im Allgäu, in der Schweiz, den USA oder in Dresden: Die Mentalitäten unterscheiden sich halt. Überall versuche ich erst einmal zu schauen, erst einmal zu beobachten, erst einmal nix falsch zu machen: Wie ticken die Menschen? Was hat was zu bedeuten? Und auch das empfinde ich als sehr inspirierend. Was ich aber zum Thema unbedingt sagen möchte: Der Prozess des Zusammenwachsens in Deutschland ist noch gar nicht so lange in Bewegung. Und er wird vielleicht wesentlich länger dauern, als wir das immer wahrhaben wollen. Vielleicht 100 bis 200 Jahre! Wir schauen auf diesen Prozess und haben unsere Lebensspanne im Blick – und dadurch sind wir viel zu ungeduldig. Aber die Generation, für die die Ost-West-Reibung kein Thema mehr ist, ist in Sicht - sie ist nur noch nicht im Sattel.
Im Sattel sind Sie aber. Sie wohnen heute in Potsdam. Warum?
Das sind ganz pragmatische Gründe. Ich habe 30 Jahre in Berlin gewohnt, konnte dort viel von nah und fern beobachten. Berlin hat nach der Wende viele soziale Probleme und Brennpunkte zu lösen gehabt. Und das hat die Stadt immer noch! Berlin wünscht sich immer den weltstädtischen Charme, aber vieles ist finanziell und strukturell gar nicht möglich.
Hier könnte ich konkret nachfragen.
Wir würden Bücher füllen. „Ich darf alles, ich darf mich nur nicht wundern, wenn es Auswirkungen hat.“
Eben! Deswegen wage ich den Schwenk zum nächsten Buch: Sie waren 2016 ins Weiße Haus geladen, um mit Barack Obama und vielen internationalen Künstlern den „Internationalen Jazz-Tag“ zu feiern. In zwei, drei Sätzen: Wie war es?
Eine beeindruckende Erfahrung, ein launiger, sehr schöner Abend. Und noch nie habe ich mehr Sicherheitsvorkehrungen über mich ergehen lassen müssen.
Bevor wir noch ein paar Bücher schreiben könnten, kommt die nächste Frage. Sie und die Trompete: Ist das eine reine Liebesbeziehung? Was macht das Instrument mit Ihnen? Dürfen Trompeter rauchen? Was müssen Sie tun, damit Sie ihr Instrument auch im Alter beherrschen und spielen können?
Ich darf alles, ich darf mich nur nicht wundern, wenn es Auswirkungen hat.
Ein schöner Satz!
Ich hatte mal eine gespaltene Beziehung zur Trompete, weil man dem Instrument ausgeliefert ist, weil das Instrument entscheidet, ob es Freund oder Feind ist. Und dann habe ich erkannt, dass das Problem bei mir liegt. Es kommt eben nur das heraus, was ich reingebe. Wenn mir etwas nicht gelingt, ist es nie die Trompete, sondern immer bin es ich. Diese Erkenntnis war sehr beziehungsfördernd.
Könnte man auch auf zwischenmenschliche Verhältnisse anwenden.
(Lacht.) Ja, warum nicht? Ich muss auf jeden Fall im körperlichen Bestzustand sein, um das Instrument spielen zu können. Also muss ich mich fit halten. Manchmal denkt man, man sei fit. Und dann kann dir das Trompete-Spielen eine objektive Rückspiegelung geben, die besagt, wie es mir wirklich geht, ob ich wirklich fit bin. Bin ich das nicht, muss ich etwas ändern. Das ist ganz klare Physik.
Sie kommen mit Advents- und Weihnachtsliedern nach Halle.
Wer Brönner-Alben kennt, weiß, dass es nichts Handelsübliches wird. Ich brauche Entertainment und Virtuosität, sonst macht es mir keinen Spaß. Jeder Mensch hat zur Weihnachtszeit einen besonderen Bezug - und sei es ein negativer. Weihnachten kann auch die härteste Zeit des Jahres sein. Aber diese Verklärtheit zu Weihnachten haben wir alle, so den Hang zum Wegbeamen aus der Realität, im besten Falle ein Zusammenrücken. Und darum geht es: Einmal die Zeit anhalten! Musikalisch springen wir durch die Erdteile, durch die Zeitzonen – nur um wieder bei unserem Weihnachten anzukommen.
Text: Mathias Schulze