Ahne, 10. Mai, Literaturhaus Halle, 19 Uhr
Ahne, 1968 in Berlin geboren, ist gelernter Offset-Drucker. Die Wende war für ihn ein Glücksfall: Er wurde arbeitslos und Hausbesetzer. Nun hat der Lesebühnenautor einen autobiografischen Roman über das Aufwachsen in der DDR geschrieben. Grund genug, beim Schriftsteller nachzufragen
Bei „Voland & Quist“ werden Sie so vorgestellt: „Mit 21 gründete er das Neue Forum und stürzte die SED-Regierung“. Dort wird auch erklärt, dass Sie dasselbe in der BRD probierten, aber gescheitert sind. Was waren die Gründe fürs Scheitern?
Da kann ich nur spekulieren. Meine Faulheit? Das Wetter? Dass die revolutionäre Situation irgendwo falsch abgebogen ist?
„Wie ich einmal lebte“ soll eine Art Autobiographie sein. Wie haben Sie es mit den alten Freunden namens Fakten und Fiktion gehalten?
Ich bin mir nicht sicher, ob das, was ich geschrieben habe, nun die Wahrheit ist. Ich habe mich bemüht nach bestem Wissen das aufzuschreiben, was in meinem Kopf vorhanden ist und die Erinnerungen von jenem zu trennen, wo ich mir bewusst bin, dass ich es umgebogen, beschönigt oder ganz und gar hinzu erfunden habe – gar nicht mal wenig. Das hat mich manchmal Überwindung gekostet, denn die Manipulation eigener Erinnerungen unternimmt man ja nicht umsonst. Was bleibt übrig von dem Bild, das man von sich vermittelte? Sicher gibt es darüber hinaus Manipulationen, an die ich mich selbst gar nicht mehr erinnere. Da verschmilzt dann das Erlebte mit der Fiktion zu meinem Leben.
Gibt es im öffentlichen Diskurs DDR-Erinnerungen, die Sie kraft Ihrer eigenen Erfahrungen grundsätzlich ablehnen?
Na ja, sämtliche Schwarz-Weiß-Malereien. Also sowohl dieser Ostalgie-Kitsch, als auch jene ‚Wir lebten in einem permanenten Klima der Angst‘-Überzeichnung. Beides finde ich gefährlich. Aus Geschichte sollte man ja möglichst etwas lernen, wenn aber Nachgeborene nur mit solchem Stoff versorgt werden, können sie gefährliche Entwicklungen weniger wahrnehmen, ist ja dann längst nicht so schlimm wie damals. Oder sie idealisieren etwas, das alles andere als ideal war.
Sie gelten als der Schöpfer der Reformbühne Heim & Welt, gewissermaßen die Geburtsstunde der modernen Literatur. Sind Sie zufrieden mit den Lesebühnen, die heute die Republik bevölkern?
Ja. Die sind alle ausnahmslos klasse.
Eine Gewissensfrage an den Berliner: Hertha oder Union?
Nichts von beiden. Mein Lieblingsverein heißt BFC Dynamo. An dieser Stelle darf ruhig geklatscht werden.
Kann man dem Erwachsenwerden ausweichen?
Ich gebe mir zumindest seit 55 Jahren Mühe.
Text: Mathias Schulze