König hört auf, 28. Juni, Puschkino, 20 Uhr
Der Jugendpfarrer Lothar König aus Jena, Jahrgang 1954, ist unbequem – und das schon immer. Ins DDR-System wollte er nicht passen, Berühmtheit erlangte er durch seinen Kampf gegen Rechtsextremismus. Doch was macht so einer, wenn er pensioniert wird? Der Regisseur Tilman König, Jahrgang 1979, hat über seinen legendären Vater ein angenehm kritisches Porträt gedreht. Am 28. Juni wird der Dokumentarfilm „König hört auf“ im Puschkino gezeigt, anschließend gibt es eine Diskussionsrunde mit dem Regisseur. Doch ist es überhaupt möglich und ratsam über seinen eigenen Vater einen Film zu drehen? Lassen wir Tilman König selbst reden:
Die Entscheidung, einen Film über meinen Vater zu machen, ist mir wirklich schwergefallen. Lange habe ich die Idee vor mir hergeschoben. Zu viel Risiko für die Abgebildeten, zu viele Fettnäpfchen, zu anstrengend. Erst als Lothars Aussegnung aus dem Pfarrdienst immer näher rückte, habe ich mich dann doch dazu entschlossen, und noch immer bereitet mir dieser Film manchmal schlaflose Nächte.
Mein Vater ist eine umstrittene, unkonventionelle Person. Er ist bereichernd und anstrengend zugleich. Ich selbst habe mich nach meiner Schulzeit in Jena schnell nach Leipzig abgesetzt, um dort Japanologie zu studieren. Ein weit entferntes Studienfeld, weg von Kirche, weg von Jugendarbeit, weg von Jena und weg von der dort immer wieder sehr präsenten Bedrohung durch Neonazis.
Auch wenn wir uns als Familie im Jahr mehrmals sehen, habe ich Neues von Lothar oft zuerst aus den Medien erfahren. Er ging als „Demo“- oder „Antifa-Pfarrer“ durch die Presse und stand mit einer angedrohten Haftstrafe von 15 Jahren fast zwei Jahre vor Gericht.
Manche sehen ihn als linken DDR-Späthippie, Berufsdemonstranten oder einfach als Störenfried. Andererseits ist er durch seinen stetigen Widerstand gegen ungerechte gesellschaftliche Zustände seit DDR-Zeiten und dann noch einmal verstärkt durch den Prozess gegen ihn zu einer Symbolfigur der linksalternativen Szene geworden. Viele kennen ihn als den langhaarigen, rebellischen Pfarrer, der sich nichts bieten lässt und spitzbübisch in die Kameras lacht.
Als Sohn kenne ich Lothar noch anders. Ich merke, wenn er vor der Kamera anfängt zu spielen. Ich sehe die Verletzlichkeit und Einsamkeit, das Zweifeln und das Ausgebranntsein, welches auch ein Teil seiner Person und seines Arbeits- oder in seinem Fall besser Lebenspensums ist.
In diesem Film habe ich versucht, dem Menschen Lothar König näherzukommen, ohne ihn vorzuführen oder auf ein Podest zu heben. Welche Opfer bringt so ein exzessives Leben, wie Lothar es führt, für ihn und für sein Umfeld mit sich? Und wie kommt so einer, ein Workaholic, „Unruhestifter“ und leidenschaftlicher politischer Akteur, überhaupt mit dem Ruhestand zurecht?
Ich bin abgetaucht in Kindheitserinnerungen, habe mich durch Lothars Stasi-Akten und Hassbriefe gelesen und bin in Familienfotos und dem Archiv der Jungen Gemeinde Stadtmitte Jena auf Suche gegangen. Wenig davon hat es in den fertigen Film geschafft, es hätte einfach den Rahmen gesprengt.
Und so baut sich dieses Porträt vor allem aus den Situationen auf, in denen ich Lothar an über 60 Drehtagen erlebt habe. Verteilt über drei Jahre habe ich ihn, meist als Kameramann und Regisseur in einer Person, begleitet. Im Schnitt habe ich zusammen mit der Cutterin Denise Lipfert versucht, das Wichtige vom Unwichtigen und das Persönliche vom Privaten zu trennen. In meiner Rolle als Sohn, der einen Film über seinen Vater macht, habe ich die Möglichkeit bekommen, einen sehr persönlichen Dokumentarfilm zu erschaffen. Einen Film, welcher der kontroversen und vielschichtigen Person Lothar König nahekommt. Ich bin sehr dankbar für das entgegengebrachte Vertrauen und hoffe bei den Zuschauern des Films zumindest Irritation hervorzurufen.
Text: Tilman König