Geneigte Leser*,
ich wollte ja schon immer mal einen Text mit „Meine Mudda …“ beginnen. Schön, dass es endlich mal klappt! Meine Mutter also. Sie hatte für mich in meiner Jugend immer so eine Standard-Ermahnung parat. Sie war Lehrerin. Und also litt sie unter der Krankheit, unter der alle Lehrer und Lehrerinnen leiden: Die Rechthaber-Krankheit. Was sie allerdings unterschätzt hatte, war, dass ihr Sohn das tat, was Söhne und Töchter eben so tun. Sie schauen sich von ihren Eltern so viel ab wie es geht. Und so standen sich alsbald zwei Rechthaber gegenüber. Wobei meine Mutter – und das war wenig überraschend – der Meinung war, es dürfe nur einen Rechthaber geben. Sollte ich es also wiedereinmal gewagt haben, ihr doch zu widersprechen – und das machte irgendwann richtig Spaß - kam sie also - ihre Lieblingsermahnung: „Hab’ nicht immer das letzte Wort!“, sagte sie dann. Das ist natürlich lustige Schlussstrich-Pädagogik. Ob sie selbst daran glaubte, dass sich bei mir auf diese Weise ein Umerziehungseffekt einstellen würde, ist nicht überliefert. Jahre später, der junge Rechthaber war längst im Journalismus und bei diesem Magazin angekommen, erinnerte ich mich an die Worte. Und schon war die Idee im Raum, wie es denn wäre, wenn wir hier ab sofort anderen das letzte Wort erteilen. Aus dieser Idee wurde dann die über Jahre meistgelesene Rubrik in diesem Magazin auf der letzten Inhaltsseite einer jeden Ausgabe. Getauft wurde sie, und das ist wenig verwunderlich, auf „Das letzte Wort hat …“. Und hier spricht dann immer eine Person mit einer gewissen gesellschaftlichen Relevanz aus der Stadt. In diesem Monat hat Kollegin Annett Krake die hallesche Autorin Simone Trieder erwischt. Ihr letztes Wort: „Curt Goetz sagt angeblich, dass der Bahnhof der schönste Ort Halles sei, weil man von dort am schnellsten die Stadt wieder verlassen kann. Ich sag mal: Schön, hier anzukommen!“ Und ich sag mal: „Recht hat sie!“ Und ich dann eben doch schon wieder das letzte Wort. Woran das liegt? Lehrerkind, vermute ich, da kann man nichts machen. „Aber danke Mudda, dass du es wenigstens mit mir versucht hast!“
Eike Käubler