Geneigte Leser*,
eine Falle ist etwas Ungemütliches. Ein Fanggerät mit Falltür, so hieß das ursprünglich. Also eher nichts, in das man sich freiwillig hinein begibt. Betrachtet man indes die sogenannte Perfektionsfalle, eines der erfolgreichsten Fanggeräte von heute, scheint es mit der Unfreiwilligkeit so weit her nicht mehr zu sein. Erfunden haben sie die Schönheits-, Fitness- und Gesundheitsindustrien. Gut getarnt und an den richtigen Stellen versteckt werden die sie von Fallenstellern, die sich Influencer nennen. Eine penetrante, digitale Drücker-Kolonne, die gern in Dubai lebt, mit Luft Millionen macht und uns Träume verkauft, von denen wir selbst noch gar nichts wussten. Apropos, gut über uns Bescheid wissen, uns gar reflektieren – wozu das? Wozu selber denken, wenn es Algorithmen gibt? Viel zu anstrengend! Wer oder was wir sind, wovor wir Angst haben und vor allem, wie wir unser Leben optimieren? Da schauen wir doch gleich mal in unsere Timelines – und fertig! Beziehung kaputt, unglücklich im Job und warum sind meine Kinder doof? „Alles kein Problem, folgen, abonnieren, kaufen Sie unsere Perfektionsfallen!“, sagen die Optimierer. Denen sind meine lern-renitenten Kinder in Wirklichkeit natürlich vollkommen egal. Denn gelänge es ihnen tatsächlich, für Geist und Erleuchtung zu sorgen, würden sie sich ja abschaffen. Ein bisschen wie die AfD, die vorgibt die Migrationskrise lösen zu wollen. Das Thema, das ihnen die meisten Stimmen bringt? Wer’s glaubt …!
Doch zurück zur Perfektionsfalle. Wir jagen Idealen hinterher, die uns andere eingeredet haben. Zeit also, aus diesem Rattenrennen auszusteigen. Wie das geht? Einfach mal anfangen. Zum Beispiel mit den soggenannten Guten Vorsätzen im neuen Jahr. Auch so ein bliebt, wie sinnloses Rattenrennen für Selbstoptimierer. Sie kennen so einen? Dann hätte ich hier den ultimativen Geschenktipp zu Weihnachten. Den „Demotivierenden Tischkalender 2025“. Nie wieder Motivations-Coaches, die einen auf den Sack gehen? Liest man das Titelblatt, könnte das sogar klappen: „Träume nicht dein Leben, sondern halt einfach dein Maul!“
Eike Käubler