KoLa Leipzig, mehr Infos: www.kolaleipzig.de, Kontakt: info@kolaleipzig.de
Obst und Gemüse sind gesund. Doch wo kommt das, was uns stark machen soll, her? Wie viele Kilometer haben die Nahrungsmittel schon in den Knochen? Unter welchen Bedingungen wurden sie angepflanzt? Darüber erfährt man beim Kauf wenig. „KoLa Leipzig“ bietet solidarisches Biogemüse direkt aus der Nachbarschaft nun auch in Halle an. Grund genug, bei der Agraringe- nieurin Eva Köhler (Foto 3. v. l.) nachzufragen
Hallo, Eva Köhler, wer und was verbirgt sich hinter „KoLa Leipzig“?
„KoLa Leipzig“ ist eine solidarische Landwirtschaft und als Genossenschaft organisiert. Seit Herbst 2020 haben wir in Taucha bei Leipzig 35 Hektar Land zur Verfügung. Auf diesem Land setzen wir dem momentanen Wirtschaftssystem etwas Praktisches und Produktives entgegen: Wir haben hier einen gemeinschaftlich getragenen Hof aufgebaut. Unser Team, das aus professionellen Gärtnern und Gärtnerinnen besteht, versorgt aktuell 1.350 Haushalte mit frischem, regionalem und fair produziertem Obst und Gemüse. Die Mitglieder bekommen den Ernteanteil in einer blauen Kiste per Lastenrad geliefert oder können sich diese in einer Konsum-Supermarktfiliale in Leipzig oder Halle abholen.
Bisher läuft alles also gut?
Wir haben im Frühjahr 2020 unser Konzept vor Aufbau des neuen Betriebes übergangsweise auf einer kleineren Fläche ausprobiert. Der Test war erfolgreich – das Mitgliederwachstum hatte damals absolut unsere Erwartungen überstiegen. Dies gab uns als Genossenschaft die Zuversicht, um hier auf der neuen Fläche für über zwei Millionen Euro eine Richthalle und eine Traktor-Halle in klimaschonender Massiv-Holzbauweise zu errichten. Wir sind zufrieden! Das kalte Frühjahr und die Trockenheit im Mai haben uns den Saisonstart erschwert, aber nun sind die Ernteanteile für die Mitglieder wieder gut gefüllt.
Wie viele Engagierte sind denn gerade mit dabei?
Momentan sind wir 23 Menschen, die den Anbau und die Verwaltung machen, zehn davon sind ausgebildete Gärtner und Gärtnerinnen oder Landwirte, neun Personen sind in der Ausbildung oder machen ein freiwilliges ökologisches Jahr. Zudem gibt es noch den Aufsichtsrat, welcher uns mit auf die Finger schaut. Das sind acht Personen. Darunter ist eine Steuerfachangestellte, ein Biologe, Juristen und Juristinnen und ein Agrarberater.
Können Sie Ihre Philosophie erläutern?
Wir machen das alles als Genossenschaft organisiert – da uns der gemeinschaftliche Besitz von Betriebsmitteln und basisdemokratische Strukturen wichtig sind. Zudem ist es uns wichtig, ökologisch und fair zu produzieren. Also, dass wir gute Anbaubedingungen haben. Das Gemüse soll erschwinglich sein, so dass Menschen sich das auch leisten können. Hierfür haben wir auf unserer Seite auch ein „Staffelpreissystem“ eingerichtet. Menschen können etwas mehr oder eben etwas weniger für das Gemüse bezahlen. Die Hauptsache ist, dass es am Ende für den Anbau und die Löhne reicht.
Welche Schwierigkeiten gab es am Anfang?
Und welche überraschenden positiven Feedbacks hat es gegeben? Es gab viele Schwierigkeiten. Die Finanzierung war ein ganz großer Knackpunkt. Zudem hieß es am Anfang, dass wir schon im Herbst 2018 auf die Flächen können. Es gab aber Probleme mit dem Vorpächter der Flächen. Die Kündigung wurde nicht korrekt ausgesprochen, so dass wir am Ende erst im Herbst 2020 auf die Flächen kamen. Wir hatten also ungeplant zwei Jahre für den Aufbau, was jetzt im Nachhinein betrachtet, aber sehr gut war. Damals war diese unerwartete Verzögerung erst einmal ein großer Schock. Überraschend ist für uns dieses enorme Mitgliederwachstum. Da gibt es sehr viel positives Feedback!
Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie bislang auf „KoLa Leipzig“?
Während Corona mussten Menschen mehr zu Hause kochen. Wenn wir nur den Absatz betrachten, hat sich dies positiv auf uns ausgewirkt. Auf der anderen Seite hatten wir damals große Sorge, dass mehrere Personen gleichzeitig im Team ausfallen und wir den Anbau nicht mehr gestemmt bekommen. Wir hatten damals allerdings großes Glück, dass unser Team weitestgehend gesund geblieben ist.
Welche Hürden und Ziele gibt es?
Landwirtschaft ist leider eine sehr kapitalintensive Sache. Der Aufbau des Hofes, der Maschinen, der Folientunnel und der laufende Anbau kosten Geld. Wir haben gerade wider Erwarten trotz der Verteuerung von Ressourcen ein leichtes Plus, im nächsten Jahr beginnt allerdings die Abzahlung der Kredite.
Das heißt?
Wir brauchen noch ein paar Ernteanteile, damit sich der Betrieb wirtschaftlich stabil trägt. Wir freuen uns daher über neue Mitglieder, die ein Teil der Agrarwende werden wollen und Lust auf frisches, lokales Gemüse haben. Momentan ist, ehrlich gesagt, alles eine große Hürde: Der erste Anbau auf den Übergangsflächen, das erste Packen, das Liefern, auf die entsprechende Mitgliederzahl zu kommen, so dass wir alle Gärtner und Gärtnerinnen bezahlen können. Und ganz wichtig: Wir haben gerade auch eine Kampagne für Mitgliederdarlehen am Laufen. Das sieht man auch auf unserer Homepage ganz zentral. Auf den neuen Flächen, den 35 Hektar Land, stehen keine Betriebsgebäude. Ich weiß, dass es verrückt klingt, aber wir stampfen da einen komplett neuen Betrieb, welcher auf die solidarische Landwirtschaft zugeschnitten ist, aus dem Boden. Nun sammeln wir Mitgliederdarlehen, um das erste Gebäude, eine Richthalle mit ökologischer Strohballen-Holzbauweise, zu finanzieren. Für diesen ökologischen Standard wären insgesamt 400.000 Euro an Darlehen optimal. 144.000 Euro haben wir schon zusammen. Also, wer Geld übrig hat und dies nur sinnlos auf der Bank liegt: Die Mitgliederdarlehen sind bis zu zwei Prozent verzinst. Es ist auch möglich, Mitglied der Genossenschaft zu werden – ohne Ernteanteile zu beziehen.
Text: Mathias Schulze