Bio in Rio, 17. Februar, Ständehaus Merseburg, 19.30 Uhr, Tickets: cultour-buero-herden.de
Denkt man an deutsches Qualitätskabarett, ist der Name Meigl Hoffmann, der momentan in der „Leipziger Pfeffermühle“ tätig ist, nicht weit. Hoffmann wurde 2021 mit dem renommierten Satire-Preis „Der Eddi“ ausgezeichnet. Nun spielt er gemeinsam mit Bernard Liebermann im Ständehaus Merseburg das rabenschwarze Programm „Bio in Rio“. Mathias Schulze hat bei der Kabarett-Legende Meigl Hoffmann nachgefragt
Hallo, Meigl Hoffmann, was kann das Publikum denn von „Bio in Rio“ erwarten?
Einen geistreich-kritischen Abend. Kabarett wie es sein sollte: Gute Unterhaltung, die sich als Zumutung zur Ermutigung versteht. Kabarett mit Haltung, aber kein Haltungskabarett. Bernard Liebermann und ich gehen spielerisch gewissen Fragen nach: Haben wir den Weltuntergang bereits hinter uns und es bloß noch nicht bemerkt? Oder tanzen wir auf einem Vulkan, der zu faul zum Ausbrechen ist?
Was kann uns der Umstand lehren, dass Leute wie Dieter Nuhr oder Mario Barth in den großen Mehrzweckhallen des Landes auftreten, während Künstler wie Meigl Hoffmann die Kleinkunstbühnen der Republik beehren?
Herrn Nuhr und Mario Barth in einem Atemzug zu nennen, finde ich etwas gewagt. Ja, die Massenwirksamkeit haben beide gemeinsam. Allerdings tun sich doch gewaltige, inhaltliche Differenzen auf. Beide bedienen ihr Zielpublikum. Beide haben seit Jahren eine große Fernsehpräsenz. Nun könnte man sagen, der Erfolg gibt ihnen Recht, man könnte allerdings auch die steile These aufstellen, dass Quantität nicht immer mit Qualität einhergeht. Aber das Bild entsteht im Auge des Betrachters. Wir hingegen sind mit den Kleinkunst-bühnen der Republik sehr zufrieden. Noch dazu ist der Kontakt zum Zuschauer enger. Und unsere Mimik muss nicht auf Videoleinwände übertragen werden. Man sieht unsere Schweißperlen noch wahrhaft. Im kleinen Rahmen fühlt sich das Publikum auch eher persönlich gemeint, so kommt ein Dialog zwischen Bühne und Publikum zustande, der in einer Mehrzweckhalle nicht möglich ist.
Ihre Programme funkeln beeindruckend vor doppelsinnigen Wortspielen. Woher nehmen Sie diese Kreativität? Gibt es da spezielle Trai-ningsmethoden? Gurgeln mit Eierlikör? Ringelnatz lesen?
Mit Bernard Liebermann habe ich einen kongenialen Partner und Co-Autoren gefunden. Obwohl, dem Altersunterschied geschuldet, unsere Sicht auf die Dinge unterschiedlich ist, stimmen wir in der Wahl der Themen und in der Herangehensweise meist überein. Was die Trainingsmethoden betrifft, so sagte seinerzeit das Künstler-Genie Joseph Beuys, dass er jeden Menschen für einen Künstler halte. Durch das tägliche Training der Fähigkeiten entwickelt sich eine individuelle Form. Diese ganz persönliche Form hielt Beuys für die Grundlage jeder demokratischen Äußerung. Also, man sollte einfach mal machen. Oder um Lenin zu zitieren: Üben, üben, nochmals üben! Ob nun mit oder ohne Eierlikör.
Sie fahren mit Ihren Programmen durch die Republik. Gibt es im Norden, Süden, Westen oder Osten eine andere Publikumswahrnehmung?
Die Himmelsrichtungen sind uns egal, solange wir auf aufgeschlossen-offene Menschen treffen. Wir sind als Kabarettisten nicht im Besitz der Wahrheit, haben aber das Privileg, die Dinge anders zu sehen und zu beurteilen. Und wenn die Welt Kopf steht, versuchen wir sie wieder – gedanklich – auf die Beine zu stellen. Natürlich hat man den Eindruck, dass das Publikum im Osten kritischer eingestellt ist. Kein Wunder, haben die meisten Menschen die Transformation einer Gesellschaft nach 1990 noch gut in Erinnerung. Da versucht der Westler immer noch, die Probleme von heute mit den Werkzeugen von gestern in den Griff zu bekommen. Dabei greift er leider immer zu kurz. Aber auch im Westen lernen die Leute schnell. Und Offenheit ist der Schlüssel.
Eine beliebte Frage an Kabarettisten ist, ob die Weltlage das Arbeiten erschwert oder erleichtert hat. Wir brauchen jetzt nicht in die Zeit vor ’89 zu schauen. Aber hat sich Ihr Anspruch ans satirische Treiben die letzten zehn Jahre verändert?
Keiner lässt sich gern belehren, und keiner gibt gern zu, sich geirrt zu haben. Vor zehn Jahren war unsere Arbeit auf der Bühne in etwa so: etwas stänkern, etwas kieksen, bisschen kritisieren. Heute, wo sich die Leute den Weltuntergang eher vorstellen können als das Ende des Kapitalismus, sind die Fragen im Saal existenzieller geworden. Nur lassen die Wortführer des Landes die Fragen der Leute, im besten Fall, unbeantwortet. Da sind wir als Kabarettisten gefragt. Aber nicht um Antworten zu geben, sondern um die Fragen präziser zu formulieren. Vielleicht entsteht so, in der allgemeinen Kon- fusion, ein Gefühl für ein solidarisches Miteinander, indem die Meinung des Anderen genau so wertgeschätzt wird wie die eigene. Daraus könnte ein neues Wir-Gefühl entstehen, dass unsere Gesellschaft jetzt so sehr nötig hätte. Dahingehend ist die Verantwortung für uns Klein-Künstler gewachsen.
Stichwort „die letzten zehn Jahre“. An welche besondere Begegnung, an welches Erlebnis im Zuge Ihrer Kabarett-Tätigkeit denken Sie oft zurück?
Ach, sich selbst zu küssen ist gar nicht mein Ding, aber ich habe letztes Jahr den Berliner Kabarett-Preis für „mein unerschrockenes Lebenswerk“ erhalten. Mit Anfang Fünfzig für das Lebenswerk aus-gezeichnet zu werden – das schaffen nur Berliner. In Summe hatte ich wunderbare Vorstellungen mit wirklich guten Kollegen und auch tolle Solo-Abende, die mir lange in Erinnerung bleiben. Vor allem die Gespräche nach der Vorstellung mit den Besuchern waren für mich immer interessant und lehrreich. Im letzten Jahr lernte ich zur Leipziger Lachmesse den bekannten Kölner Kabarettisten Thomas Reis kennen. Daraus entwickelte sich eine echte, künstlerisch-menschliche Freundschaft. Das sind die Privilegien meines Berufs.
Text: Mathias Schulze