Conni Trieder Trio, 29. September, Club Pierre Grasse, 20 Uhr, www.connitrieder.de
Querflöte, Kontrabass und Schlagzeug. Mehr braucht das „Conni Trieder Trio“ nicht, um ein jazziges Klangereignis aus instrumentaler Musik und gesprochenem Wort zu zelebrieren. Zusammen mit Lukas Keller und Simon Bräumer kommt Conni Trieder nun ins Pierre Grasse. Grund genug, bei der Musikerin, die ihre Kindheit und Jugend in Halle verbrachte, nachzufragen. Ein Gespräch über Ost und West, über ihr Halle-Projekt und über ihre Kunst
Hallo, Conni Trieder, Sie sind 1987 in Karl-Marx-Stadt geboren und 1990 nach Halle gezogen. Sie haben in der Saale-Stadt also ihre Kindheit und Jugend verbracht. Warum wohnen Sie heute in Köln?
Das Jazz-Studium hat mich dorthin verschlagen. Und da ich nebenher meinen Unterhalt verdienen musste, habe ich dort auch schnell Wurzeln geschlagen. In Köln gibt es eine aktive Musikszene, die ich sehr schätze und die einiges möglich macht. Meine beiden Mitmusiker habe ich auch in Köln kennengelernt.
Sie müssen es wissen: In welcher Weise begegnen Ihnen heute noch Ost-West-Unterschiede?
Es ist auffällig, dass das im Osten fast immer thematisiert wird – und im Westen nie. Das ist nicht wertend gemeint, das ist nur eine Feststellung. Kommt das zur Sprache, fühle ich mich seltsamerweise als eine, die „rüber jemacht hat“. Und dass, obwohl das ja 30 Jahre später eigentlich kein Thema mehr sein sollte. Zudem fühle ich mich auch immer noch als Ossi, das ist eigentlich verrückt.
Dass das Thema im Westen keine große Rolle spielt, verwundert mich nicht. Für die Menschen dort hat sich ja auch nicht viel geändert. Aber ich würde gern noch fragen, woran Sie dieses „Ossi“-Gefühl festmachen?
Das ist schwer in einem Satz zu sagen. Ich weiß nur, dass es früher für mich nicht relevant war. Erst als ich 2007 für mein Studium in den Westen gegangen bin und Kommilitonen aus Ost und West zusammentrafen, ist es mir richtig bewusst geworden.
Schauen wir mal nach Halle. Woran denken Sie heute, wenn Sie heute „Halle“ hören? Was sind das für Erfahrungen, die Sie hier gemacht haben?
Mit Halle verbinde ich jugendliche Leichtigkeit. Den Sommer nach dem Abitur habe ich mit Freunden Lyrik lesend und Gitarre spielend an verschiedenen Orten verbracht. Sicherlich ist meine Erinnerung romantisch verklärt. Aber in keiner anderen Stadt habe ich mich je so ausgekannt wie in Halle. Ich bin durch Parks gestreift, über die sieben Hügel der Stadt geradelt, hatte Freunde in jedem Teil der Stadt, hab‘ die Aussichten genossen und viele Orte erkundet. Ich liebe das leicht Verwilderte und Verkommene, Szenen von gelebten Leben, die aus den Altbaufenstern gucken. Alte Hauseingänge, die einem unverständlich mehrere Geschichten der Bewohner-Generationen gleichzeitig zuraunen. Diesem Charme begegne ich eher im Osten.
Ich habe ja auch deswegen gefragt, weil es ein spezifisches Halle-Projekt von Ihnen gibt. Erzählen Sie bitte!
Richtig, mit meinem Quartett „Trieders Holz“ spiele ich derzeit das Programm „Vertraute Orte“, welches sich mit Plätzen meiner Kindheit und Jugend beschäftigt. Es sind sieben Texte, die sinnliche Erinnerungen aus meinen Halle-Jahren beschreiben und als Inspirationsquelle für sieben Kompo- sitionen dienten. Im kommenden Jahr wird es bei „nWog Records“ als Album erscheinen.
Können Sie Ihre künstlerische Philosophie in schnöden Worten beschrieben?
Wenn ich komponiere oder spiele, muss ich dafür brennen, nur dann kann der Funke der Begeisterung auf das Publikum überspringen. Momentan interessiere ich mich sehr dafür, die erweiterten Spieltechniken der Querflöte in die Stücke organisch einzubinden. Das Klangspektrum der Flöte ist so enorm, und die spielerischen Freiheiten, die die Besetzung des Trios ermöglicht, eignen sich dafür perfekt.
Viele „kleinere“ Künstler haben weiterhin mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen. Wie sieht es bei Ihnen aus? Was bekommen Sie mit? Wo und wie müsste man ansetzen?
Mir scheint, dass durch die Pandemie die Unterhaltung im Internet für viele einen noch stärkeren Platz eingenommen hat. Gleichzeitig ist bei Künstlern in der Zeit viel Kreatives entstanden, was noch ungehört und ungesehen ist. Ich wünsche mir, dass Menschen diese Begegnung wertschätzen, die bei solch einer Veranstaltung passieren kann, dass sie sich bewusst werden, dass die Hörerschaft mit ihrer Anwesenheit Teil des Konzerts ist. Die Musik und die Stimmung können sehr unterschiedlich sein, je nachdem, wie das Publikum, der Raum und die Atmosphäre ausfällt. Damit ist es einma- lig, vergänglich und wunderschön. Kommt zu den Konzerten, begegnet Kunst, anderen Menschen und Euch selbst!
Warum sollte man Ende September zu Ihrem Konzert kommen?
In meinem Trio mit Lukas Keller am Kontrabass und Simon Bräumer am Schlagzeug kommt jedes Instrument und jeder Musiker und jede Musikerin deutlich zur Geltung. Die Musik ist sehr persönlich und transparent. Viel entsteht aus dem Moment und hat damit eine andere Art Aufrichtigkeit. Es ist, als ob man zum Markt fährt und kurz entschlossen doch die Kleine statt der Großen Ulli nimmt – einfach, weil es heute besser passt.
Text: Mathias Schulze