Ton Steine Scherben, 3. Juli, Graben der Moritzburg, 20.30 Uhr; Sven Panne singt Rio Reiser, 7. August, Graben der Moritzburg, 19.30 Uhr, Tickets: volksbuehne.jonsch.net
In diesem Sommer kommen „Scherben“-Fans im Graben der Moritzburg gleich zweimal auf ihre Kosten. Veranstaltet von der Volksbühne am Kaulenberg gastiert am 3. Juli die ehemalige Band Rio Reisers. Zudem spielt der Hamburger Sven Panne am 7. August ein besonderes Reiser-Konzert. Grund genug, beim Singersongwriter nachzufragen
Hallo Sven Panne, wenn ich ehrlich bin, muss ich das Covern von Rio- Reiser-Songs als inflationär bezeichnen. Ihr Ansatz ist aber, dass …
… ich nur meine Lieblingslieder singe und auf Hits verzichte. So fanden unterschätze Kleinode, unbekanntere B-Seiten, Lieder, die Rio für Freunde und Kollegen schrieb und Theatermusiken den Weg in mein Programm. Herausgekommen ist eine Hommage an Rio Reiser – und zwar jenseits der großen Hits. Gleichzeitig erhoffe ich mir, neue Einblicke für diejenigen zu erschaffen, die sich nochmal neu von Rio (und mir) verzaubern und begeistern lassen möchten.
Erwischen Sie sich manchmal bei der Überlegung, welche Art von Songs Rio Reiser wohl heute schreiben würde?
Da ich heute schon älter bin, als Rio je werden konnte, stell ich mir manchmal vor, wie es wohl wäre, wäre er nicht so früh verstorben. Sicherlich würde er immer noch Platten veröffentlichen, Lieder schreiben. Lieder, die mir vielleicht immer noch wie persönliche Briefe vorkommen würden. So wie damals, als ich die ersten Male seine Platten hörte und total geflasht war ob der Schönheit, wie er mit Worten umzugehen wusste. Er konnte mit wenigen Zeilen Gemälde malen. Und das in einer Zeit, als sich Freunde und Kollegen von mir, und letzten Endes auch ich selber, noch dafür rechtfertigen mussten, Texte in deutscher Sprache zu verfassen. Rio würde wohl auch heute noch die (für mich) richtigen Worte finden. Vielleicht hätte er sich aber auch auf seinen Hof in Fresenhagen zurückgezogen und die Fackel an die Nachgeborenen weitergereicht. Ich weiß es doch auch nicht.
Führen die Wege eines Hamburger Liedermachers nach Halle liegt eine Frage nahe: Macht es heute noch einen Unterschied, ob Sie im Westen oder im Osten der Republik spielen? Gab es den Unterschied mal?
Ich toure nun schon so lange durchs Land, am liebsten mit Rüdiger Bierhorst, auch Mitglied bei den Monsters of Liedermaching, mit dem ich seit 15 Jahren als Liedermacherduo „PanneBierhorst“ unterwegs bin. Ich liebe es, Konzerte zu spielen, dabei ist es mir völlig wumpe, ob es im Osten, Westen, Norden oder Süden ist.
In Halle …
… gibt es die wunderschöne Volksbühne, betrieben von Jonas Schütte. Das ist ein Geschenk für die Kultur in dieser Stadt, die dafür gesorgt hat, dass „PanneBierhorst“ alle ihre bisherigen Konzerte in diesem Jahr in Halle gespielt haben. Es waren zwei Livestream- Konzerte aus der Volksbühne heraus. Jonas ist es auch zu verdanken, dass ich den Rio-Abend in Halle spielen kann. Ein großer Dank an Jonas!
Hinter uns liegen besondere Monate: Haben Sie, der auch die kleineren Clubs kennt, schon eine genauere Vorstellung davon, wie die Pandemie das gesamtdeutsche Kunstund Kulturleben verändert hat?
Seitdem die Räder im Kulturbetrieb nahezu stillstehen, ist es natürlich sehr ruhig geworden. Was irgendwann wieder geht und was nicht, werden wir sehen. Ich kenne viele Clubs und Veranstalter, denen das Wasser bis zum Hals und ‘ne Handbreit höher noch steht. Welche Bühnen diese Zeit überstehen, ist ja auch noch gar nicht abzusehen. Jemand, der beispielsweise seit 30 Jahren Konzerte veranstaltet, dann zum Nichtstun verdammt ist, und von behördlicher Seite mit Freizeitparks und Ähnlichem gleichgesetzt wird, hat vielleicht auch die Schnauze voll und wird aufgeben. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass sich Veranstalter die Nächte um die Ohren hauen, um irgendwie weiterzumachen: Pläne schmieden, Konzepte entwickeln. Nebenbei bemerkt, möchte ich festhalten, dass Kultur keine Freizeitbeschäftigung ist. Kultur bringt Farbe ins Leben. Jedenfalls kickt mich ein Konzert, ein Kinofilm oder Theater mehr, als, sagen wir mal, ‘ne Achterbahn. Und wenn wir im Bild bleiben, habe ich im Leben genug Achterbahn.
Wie sieht es auf Seiten der Künstler aus?
Ich denke, dass es gerade für junge Nachwuchsbands schwieriger werden wird, Veranstalter zu finden. Veranstalter, die bereit sind, das Risiko einzugehen, dass der Laden eben nicht voll wird. Zumal durch die Konzertverlegungen des letzten Jahres die Kalender auch dementsprechend weniger Spielraum lassen. Nichtsdestotrotz wird es weitergehen, die Leute dürsten danach. Also ich auf jeden Fall. Vor ein paar Tagen schlenderte ich durch die alte Hanse Lübeck und vernahm aus einem Café tatsächlich Musik. Da saß ein Mann am Klavier und spielte ein paar Jazzstandards. Die erste Live-Musik seit letztem Herbst, der Typ am Klavier sah unfassbar glücklich aus. Und die Leute, die ihm zuhörten, auch.
Kultur …
… wird sich nicht unterkriegen lassen. Sie lauert sozusagen auf das Zeichen zum Start. Tolle Ideen werden entwickelt, so wird es zum Beispiel diesen Sommer sogenannte Laster-Konzerte geben. Organisiert von Waldinsel Records, auf dem übrigens auch meine CD „Sven Panne singt Rio Reiser“ erscheinen wird. Ein Laster, der mindestens mal so alt ist wie ich, wird mit Bühne auf dem Dach durchs Land rollen und im öffentlichen Raum Konzerte möglich machen. Alles wohldurchdacht, allein der Laster schon ein Blickfang. Es bleibt spannend und irgendwie wird alles gut. Hätte ja auch niemand gedacht, dass es in diesem Jahr noch mal aufhört zu regnen.
Text: Mathias Schulze