Die Lage, ab 17. März, Thalia, alle Termine: www.buehnen-halle.de; Buchungen von „niedlich&GROSS“ unter www.niedlichundgross.de
Der Jazzposaunist und Schauspieler Florian Krannich, Jahrgang 1983, ist ein Ensemblemitglied des neues theaters. Und das ist noch längst nicht alles, auch in der freien Szene ist er unterwegs. Was der Mitbegründer des mobilen Kinder- und Jugendtheaters „niedlich&GROSS“, sonst noch so treibt, verrät er im Interview
In Halle kennt man Sie als festes Ensemblemitglied des neuen theaters. Zudem sind Sie auch Teil des Projektes „niedlich&GROSS“. Erzählen Sie mal: Was ist das?
„niedlich&GROSS“ ist ein mobiles Kinder- und Jugendtheater, das Theater in Kitas, Horte und Schulen bringt. Ich habe es mit meiner Frau, der Schauspielerin Jennifer Krannich, und unserem langjähr-igen Kollegen Michael Morche 2018 gegründet. Wir kommen alle drei aus dem Wirkungskreis des Thalia Theaters. Ästhetisch würde ich uns als wilde, liebevolle und schlaue Mischung aus Schauspiel, Puppen- und Materialtheater beschreiben. Wir beschäftigen uns mit Fragen aus der Erwachsenenwelt, die wir aus einem kindlichen, aber trotzdem wissenschaftlichen Blickwinkel stellen. So haben wir Stücke über den Verbrennungsmotor, über Fluch und Segen von Jobs oder über Musik als Lebens- inhalt im Repertoire. In einer Stadt wie Halle mit Vierteln am Rand, die gerne mal vergessen werden, ist so ein mobiles Angebot wichtig. Ich bin froh, dass es die Verantwort- lichen für Kulturpolitik auch so sehen und unsere Arbeit regelmäßig gefördert wird.
In der Volksbühne am Kaulenberg spielen Sie auch eine Rolle. Welche ist das aktuell?
Eine ganz, ganz hintergründige (lacht). Die Volksbühne wird ja betrieben von Jonas Schütte, den ich lange kenne und schätze. Als ich 2016 bis 2020 freiberuflich unterwegs war, haben wir viel zusammengearbeitet – damals hat er auch sein Theater gegründet. Im Windschatten davon ist ein Verein entstanden, der dem Projekt mit ehrenamtlicher Expertise zur Seite steht. Da bin ich Mitglied. Ich habe auch die eine oder andere Idee künstlerisch und organisatorisch begleitet, beispielsweise durfte ich mit den „Legenden“ Martin Reik und Wolfgang Engel einen Heine-Abend namens „Deutschlandmärchen“ erarbeiten. Anguck-Befehl!
Dieses Unterwegssein zwischen Stadttheater und freier Szene: Was sagen Sie jenen, die diesbezüglich mitunter einen rivalisierenden Gegensatz sehen?
Den immer weniger Werdenden, die da eine Rivalität im schlechten Sinne sehen, sage ich: Schaut mal, was in den jeweiligen Bereichen alles im Argen liegt. Wir brauchen diese Art von Kooperation und Durchlässigkeit zwischen den Welten, um voneinander lernen zu können. Die freie Szene schaut da sicher auf Organisationsgrad und technische Möglichkeiten der großen Bühnen. Und die wiederum können sich von den „Freien“ viel abschauen an Unkonventionalität und unternehmerischem Esprit. Ich sehe mich ganz unbescheiden als ein mögliches Bindeglied, das gleichzeitig versucht, permanent dazuzulernen. Ich arbeite beispielsweise in der freien Szene gar nicht als Schauspieler, da ich dafür ja bereits beim neuen theater bezahlt werde. Vielmehr tobe ich mich nach Dienstschluss als Dramaturg und Produktionsleiter aus.
Sie sind gebürtiger Berliner. Wie lebt es sich als Großstädter in Halle?
Berlin ist im Vordergrund ruppig und hintenrum nett. In allen Metropolen Deutschlands wird es umgekehrt gehandhabt, nur in Halle nicht. Da bin ich gerne zuhause. Ich kann rund um die Uhr in Raucherkneipen sitzen und um vier Uhr nachts eine Currywurst essen. Die Geschäfte und Industrien wirken alle nicht sooo richtig konkurrenzfähig, dafür geht es in der Stadt, im Schatten eines nicht enden wollenden Uni-Organismus, viel um Gastro und Kultur. Spreche ich jetzt noch von Halle oder schon von Berlin? Ich weiß es nicht. Wäre ich Unioner, würde ich aktuell vielleicht den Fußball vermissen. Aber ich bin Herthaner – also passt es da leider auch.
Am 5. März sind Sie Teil eines Elfriede-Jelinek-Abends im Literaturhaus. Was machen Sie da?
Ich lese zusammen mit meinen Kollegen Nils Thorben Bartling und Alexander Pensel ihr Stück „Angabe zur Person“. Alles in Szene gesetzt von Ronny Jakubaschk, der in seiner aktuellen Inszenierung „Das große Feuer“ in der nt-Kammer in genau dieser Besetzung gearbeitet hat. Auch ein Anguck-Befehl!
Können Sie die Bedeutung Jelineks für Ihre Arbeit kurz beschreiben?
Ich habe tatsächlich noch nie Jelinek gespielt, nur gesehen. Ich mag ihr Anschreiben gegen diesen seltsam antimodernen „Natur“-Fetisch in deutschen Landen. Und sonst? Sie hat den Nobelpreis gewonnen. Im Gegensatz zu anderen zurecht.
Dann gibt es noch das Stück „Die Lage“ von Thomas Melle, das ab 17. März im ehemaligen Thalia läuft.
Es geht um Gentrifizierung und darum, wie sich immer mehr Leute zu immer heftigeren Preisen um immer weniger Wohnungen streiten. Ich habe das Gefühl, dieser Prozess geht in Halle jetzt erst einmal richtig los. Das Stück ist eine Satire auf eben diese Wohnungslage. Die Inszenierung wird ein „Must-have“ im März. Außer mir spielen Sybille Kreß, Nicoline Schubert, Nils Thorben Bartling, Paula Dieckmann und Rico Strempel. Und auch Harald Höbinger – the one and only – ist mit dabei. Max Radestock, vormals Schauspieler am neuen theater, inszeniert. Mit ihm zu arbeiten, freut mich ganz besonders, weil ich absehe, welch spannende Regie-Karriere da auf uns zukommt. Auch Elena Scheicher ist als Ausstat- terin und Bühnenbildnerin dabei. Sie ist ebenfalls ein wahnsinniges Talent. Und dann findet die Inszenierung auch noch im Thalia Theater statt. Geniales Stück, geniale Besetzung, geniales Regie-Team, geniale Spielstätte. Alle mit Herz und Köpfchen werden wohl kommen müssen.
Text: Mathias Schulze