Liebe. Laube. Gartenzwerg. Und das Herz des Grafen!, 12. August bis 4. September, Graben der Moritzburg, alle Termine: apron.de
„Liebe. Laube. Gartenzwerg. Und das Herz des Grafen!“ heißt der diesjährige Sommerspaß des freien Theaters Apron. Es gibt eine Menge Klamauk, der sich zu einem herzerwärmenden Volksstück auswächst
„Können Sie schreiben?“ Vor Beginn, am Eingang des Burggrabens, lauert die erste Pointe. Man bittet um die Einhaltung der Hygieneregeln, dazu gehört die Angabe der Kontaktdaten. Dabei entblößt sich so manches verdutzte Gesicht: „Schreiben? Hm, ja. Aber wieso?“
Hat man die zugeschriebene Parzelle erreicht, folgt eine zweistündige Dosis Apron-Sommertheater. Zwischen Hollywoodschaukel und jeder Menge Selbstangebautem werden Pop- und Schlagerklassiker umgedichtet. Bevor sich eine spannend zu verfolgende Handlung entspinnt, stellen sich diverse Charaktere, besser gesagt auf zwei Beinen laufende Stereotypen, vor.
Paul, gespielt von Oliver Rank, wird mit hochgezogenen Socken und seinem sexuell verklemmten Hornbrillenblick zum Kraftzentrum des Stückes, das sowohl von Alexander Terhorst verfasst als auch inszeniert ist.
Worum geht’s? Eine Kleingartensparte soll weichen, der Bauunternehmer Wettin (Martin Kreusch) will dort schöne teure Wohnungen hinpflanzen. Wie es ausgeht, wird nicht verraten, aber dass Apron wieder alle Tricks in die Datsche zaubert, darf vermerkt sein.
Da gibt es Zoten und Sexismus – klar, Manfred hatte eine „preisgekrönte Riesengurke“. Da gibt es Publikumsansprachen auf Schenkelklopferniveau – klar, die Dame in den Reihen ist eine Hortensie, der Mann ein Knallerbsenstrauch. Da gibt es fragwürdige Schoten – klar, hätten Attentäter einen Kleingarten gehabt, dann wären uns Katastrophen erspart geblieben.
Der Einwand, dass die Rede der Figuren doch (liebevolle?) Kleingeistigkeit transportieren soll, wischt die Schwierigkeiten des ersten Teils der Inszenierung nicht weg. Der Apron-Sommertheaterstil, diese Mischung aus ostdeutschem Lokalkolorit, historischen Anspielungen, Systemkritik, Gesangseinlagen und knalligen Gags, kann jederzeit ins Seichte trödeln. Das gilt gerade dann, wenn die Dramaturgie ein Mittagsschläfchen hält.
Obwohl der zweite Teil alle Rezepturen beibehält, kommt nun Tempo und eine Überdrehtheit hinein, die Aprons Sommertheater so einmalig und kultig macht. Eine bessere Trash- und Freakshow kann man in Halle nicht finden. Drückt das Kollektiv aufs Gaspedal, gibt es ein herrlich absurdes und herzerwärmendes Volksstück. Schön, dass das im zweiten Teil gelingt. Schön, dass es so ein genresprengendes Spektakel in Halle gibt.
Text: Mathias Schulze