König von Deutschland – eine interaktive Reise ins Reichsbürger-Land, ab 23. März, Volksbühne am Kaulenberg, alle Termine: www.volksbuehne.jonsch.net
2012 rief Peter Fitzek in Lutherstadt Wittenberg das „Königreich Deutschland“ und sich selbst zu dessen König aus. Das Stück „König von Deutschland – eine interaktive Reise ins Reichsbürger-Land“, das ab 23. März in der Volksbühne zu sehen sein wird, beschäftigt sich damit. Grund genug, bei Regisseur Fabian Rosonsky nachzufragen
Hallo, Fabian Rosonsky, bevor wir zur Reise ins Reichsbürger-Land kommen, wie sieht denn Ihre biografisch-theatrale Reise aus?
Ich bin 33 Jahre alt, in der Nähe der Lutherstadt Wittenberg aufgewachsen. Nach einem Studium in Berlin ging es 2016 als Regieassistent ans Düsseldorfer Schauspielhaus. Seit 2019 arbeite ich freischaffend als Regisseur und als Produzent. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen Sarah Methner und Lene Gaiser habe ich die Gruppe „Polyformers“ gegründet. Wir realisieren freie Produktionen – wie jetzt eben auch „König von Deutschland“. Dabei interessieren uns die Krisen postmoderner Identitäten und Subjektentwürfe, der ländliche Raum sowie gesellschaftlich-politische Themen.
Was führt Sie zu Peter Fitzek?
Ich bin in Lutherstadt Wittenberg, wo Peter Fitzek das „Königreich Deutschland“ 2012 gegründet hat, geboren und wenige Kilometer entfernt aufgewachsen. Als Jugendlicher habe ich, damals noch unwissend, irgendwelche Räucherstäbchen in dem Esoterikgeschäft gekauft, das Peter Fitzek in Wittenberg betrieb. Später habe ich dann auch die Gründung des „Königreichs Deutschland“ und die Entwicklung intensiv verfolgt.
Das Thema …
… hat mich immer interessiert, weil ich glaube, dass es viel über die Krise erzählt, in der sich viele Menschen in einer komplexer werdenden Welt befinden. Außerdem genieße ich es, mit dem Projekt künstlerisch „nach Hause“ zurückkehren zu können. Ich habe große Lust, in der Region und für die Region Theater zu machen.
Aktuell …
… gibt es reichlich Anlass, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Die Razzien vom Dezember 2022 haben das noch mal ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Wir haben vor einem guten Jahr mit der Planung des Projektes begonnen und denken, es kommt zur rechten Zeit. Bereits als 2016 ein Polizist vom „freien Menschen Wolfgang“ in Georgensmünd erschossen wurde, hat sich die anfangs verharmlosende Wahrnehmung der „Reichsbürger“ geändert. Zwar sollte man nicht alle Bewegungen, die für unter diesem Begriff zusammengefasst werden, einfach undifferenziert in einen Topf werfen, aber dennoch gibt es Gemeinsamkeiten.
Die da wären?
Die Delegitimierung der Bundesrepublik, die Errichtung eigener staatlicher Strukturen und eine grundlegende Demokratiefeindlichkeit. Obwohl das „Königreich Deutschland“ seiner Zuordnung zur Szene widerspricht, gibt es durchaus immer wieder Verbindungen bis weit ins rechte Milieu. Gleichzeitig haben Pandemie und der russische Krieg gegen die Ukraine die Gesellschaft in den letzten Jahren vor viele Zerreißproben gestellt. So wurde die Empfänglichkeit von Menschen für staatskritische, verschwörungsideologische oder umstürzlerische Erzählungen erhöht. Ich halte es für wichtig, dem künstlerisch etwas entgegenzusetzen.
In der Ankündigung des Stückes steht, dass „braune Esoterik, Antisemitismus, Populismus, Rechtsextremismus, Sektenstrukturen und Führerkult“ erfahrbar gemacht werden sollen.
Die Begriffe beschreiben einige wichtige Eckpfeiler des ideologischen und strukturellen Systems des „Königreichs Deutschland“, die wir im Projekt genauer untersuchen. Antisemitismus zum Beispiel spielt dabei eine wichtige Rolle und ist auch eine Parallele zu anderen Bewegungen. Wir konzentrieren uns auf Peter Fitzek und das „Königreich Deutschland“ und entwickeln die Szenen dokumentarisch aus bestehendem Material. Dafür haben wir zunächst in einer ausführlichen Recherche aus Büchern, Medienberichten, den zahlreichen Verlautbarungen und Veröffentlichungen des „Königreichs“ selbst, offiziellen Dokumenten und Interviews eine Sammlung von Texten, Videos und Ideen angelegt, die die Grundlage des Stücks bilden. Dabei ist der Begriff „Stück“ vielleicht etwas irreführend, da wir nichts dazuerfinden wollen und auch nicht anderthalb Stunden lang frontal auf einer Guckkastenbühne durchspielen werden.
Sondern?
Wir bespielen das ganze Haus der Volksbühne am Kaulenberg. Das Publikum kann sich zwischendurch frei bewegen, ist Teil des Geschehens. Ausgangspunkt ist die Idee, das Theater als Experimentierraum zu begreifen und dort das „Königreich“ für die Dauer des Abends gemeinsam zu gründen. Neben klassischen Spiel- passagen wird es Momente geben, wo man sich eigenständig informieren, an Abstimmungen teilnehmen oder auch eine Audienz beim „König“ haben kann.
Was kann Ihr Stück leisten? Wo liegen seine Grenzen? Welche Ästhetik ist zu erwarten?
Wir finden es wichtig, über das Thema zu informieren und die gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu schärfen. Aber wir sind uns auch bewusst, dass wir damit unmöglich alle erreichen können. Wir wollen Fragen an das Material stellen und unsere eigene Auseinandersetzung damit thematisieren. So ergibt sich am Ende eine Mischung aus Spiel und Reenactment, Dokumenta- tion und Ausstellung sowie interaktiven Momenten und Diskus- sion. Drei Schauspielerinnen werden gemeinsam mit dem Publikum die wichtigsten Stationen, Figuren und Elemente des „Königreichs Deutschland“ beleuchten. Wir stecken schon mitten in den Proben und freuen uns darauf. Darf ich noch etwas sagen?
Bitte!
Das Projekt wird gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von „Neustart Kultur“. Das zu sagen, ist schon wichtig.
Text: Mathias Schulze