Uta van den Broek ist die neue Geschäftsführerin der Theater-, Oper- und Orchester GmbH. Wir haben sie pünktlich zum Start der neuen Spielzeit zum Interview gebeten
Frau van den Broek, Sie sind nun die neue, alleinige Geschäftsführerin der Theater-, Oper- und Orchester GmbH Halle (TOOH). Einen Kassensturz werden Sie sicher bereits gemacht haben. In welchem Zustand haben Sie die GmbH vorgefunden?
Wir spielen in einer Zeit mit pandemischen Spielplänen, Besetzungen, Probenprozessen, Zuschauerzahlen. Die Einnahmen und Ausgaben der Vergangenheit können nicht ohne Weiteres in die Zukunft fortgeschrieben werden. Wir planen in mehreren Szenarien und berücksichtigen pandemische, geografische und soziologische Aspekte. Noch nie war die Halbwertszeit einer Planung so kurz wie jetzt und wir passen diese laufend an. Controlling ist nun wichtiger denn je. Die GmbH ist hinsichtlich ihrer Betriebs- und Personalkosten über Zuschüsse von Stadt und Land durchfinanziert. Die Einnahmeverluste, die wir derzeit durch die verringerten Zuschauerplätze erfahren, werden sich zukünftig zwangsweise auf die Budgetierung der Inszenierungen auswirken. Dies kann durch zusätzliche Konzerte beziehungsweise Vorstellungen etwas abgefedert werden – die Planungen dafür laufen bereits.
Sie gelten als eine kunstbeflissene Frau. Müssen sich die Intendanten davor fürchten, dass Sie sich in die künstlerischen Belange einmischen?
Niemals! Mein Dienstvertrag und das Amt des Geschäftsführers verpflichten mich zur kaufmännischen Führung und Vertretung der Gesellschaft. Die künstlerische Verantwortung liegt bei den Intendanten und dem zukünftigen Generalmusikdirektor/in. Jeder steht für seinen Bereich, respektiert und akzeptiert die Arbeit des anderen und begreift, dass wir nur in unserem Zusammenwirken, nur in echter Arbeitsteilung, das Ganze ergeben.
Wenn nicht ein Wunder geschieht, dürften Sie direkt mit Amtsantritt mit der TOOH in eine neue Finanzkrise geraten. Corona hat seit März die Einnahmen wegbrechen lassen. Auf eine Wette, dass sich die Dinge im Herbst drehen, sollte man es besser nicht ankommen lassen. Bereiten Sie sich gezielt darauf vor? Oder ist Ihnen die Sicht zu pessimistisch?
Das Wunder sind unsere kreativen Mitarbeiter aus allen Bereichen und unser treues Publikum. Plötzlich entstehen neue Formate, Inszenierungen werden den Bedingungen angepasst, Proben finden im freien Raum oder in Turnhallen statt. Spartenübergreifend wird zusammengearbeitet. Wir streben Zusammenarbeit mit Museen, Institutionen, der Hochschule und der Universität unserer Stadt an. Unser Haus und damit auch die Kunst waren für lange, furchtbare Monate verschlossen. Es ist Zeit, den Menschen zu zeigen, dass es uns mit und trotz Corona gibt! Deshalb planen wir sehr ambitioniert eine dreitägige Veranstaltung Mitte September auf dem Universitätsplatz, mit einem außergewöhnlichen und vielfältigen Programm, welches gleichzeitig einen Brückenschlag zur freien Szene schafft und Solokünstler, welche extrem von der Pandemie betroffen waren, unterstützt.
Die Not macht uns erfinderisch. Vieles, was jetzt entsteht, ist langfristig erhaltenswert.
Die größte und noch keineswegs verheilte Wunde, die in das hallesche Theaterleben geschlagen wurde, war die Schließung des Thalias vor ein paar Jahren – ein eigenständiges Kinder- und Jugendtheater, ein Haus mit hervorragender Reputation. Hätten Sie es genauso gemacht? Ist eine Renaissance denkbar?
Nach meiner Beobachtung versuchen Matthias Brenner und Christoph Werner die Wunde im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu schließen. Doch kann dies kein Ersatz für ein zeitgemäßes lebendiges Kinder- und Jugendtheater, als integraler Bestandteil eines Bildungskonzeptes sein. Meines Erachtens ist es an der Zeit über ein landesweites Kinder- und Jugendtheater nachzudenken. Unsere Stadt verfügt über eine wunderbare Spielstätte in der Kardinal-Albrecht-Straße, die sich stadt- und landesweit öffnen könnte. Warum sollte die nicht Produktions- und Spielstätte für andere Theater unseres Landes wie Dessau, Naumburg oder beispielsweise Eisleben sein, sich nicht zur freien Szene hin öffnen oder Händelfestspiele und so weiter integrieren? Wir brauchen ein Entwicklungskonzept!
Ihr Vertrag läuft vorerst bis 30. Juni 2025. Lassen Sie uns doch mal in die Glaskugel schauen: Was sagt man im Sommer 2025 in Halle und in der interessierten Bundesrepublik über das Bühnengeschehen in Halle? Was sind Ihre Ziele? Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Ausrichtung?
Über diese Frage freue ich mich am meisten, denn ich bin davon überzeugt, dass alle unsere Schritte heute uns einem langfristigen Ziel näher bringen sollen. Ich werde mich dafür engagieren, uns auch kaufmännisch einen guten Ruf zu erarbeiten und ein Referenzhaus für andere Mehrspartenhäuser zu sein, das interne Strukturen geschaffen hat, die einen hohen Integrationsgrad der einzelnen Sparten, Mitarbeiter und Gäste erlauben. Das die kulturinteressierten Menschen von Stadt und Land einbindet und zeitgemäß kommuniziert. Lasst uns einen modernen Theatercampus gestalten! Ein Haus, welches aus analogen Strukturen in digitale springt und dabei niemanden unterwegs verliert.
Das komplette Interview: www.facebook.com/HalleFrizz
Text: Eike Käubler und Mathias Schulze