Wahl zum Stadtrat der Stadt Halle, 9. Juni, www.luna-moebius.de
Luna Möbius kandidiere für den Stadtrat der Stadt Halle. Wahltag ist der 9. Juni. Und Möbius, der an dem sozialpolitischen Projekt „Zukunft für Halle“ arbeitet, muss in engem Kontakt mit dem Staatsschutz stehen. Warum? Grund genug, bei Möbius nachzufragen
Hallo, Luna, können Sie bitte kurz etwas über sich sagen?
Ich bin 23 Jahre alt, komme ursprünglich aus dem Landkreis Wittenberg und wohne nun seit fünf Jahren in Halle. Meinen Wunsch, Schauspiel zu studieren, habe ich auf Anraten meiner Eltern verworfen und eine Ausbildung im Reisebüro gemacht. Heute gestalte ich politischen Content im Internet und engagiere mich parteipolitisch.
Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: Was ist eine nichtbinäre Person?
Eine nichtbinäre Person fühlt sich keinem Geschlecht zugehörig, also weder männlich, noch weiblich. Ich bin einfach ich – Luna. Das ist ein wenig vergleichbar mit Menschen, die sehr androgyn aussehen, die man also nicht sofort männlich oder weiblich lesen kann. Und so ist das eben auch ein Gefühl, das man für sich haben kann.
Sie stehen mit dem Staatsschutz in engem Kontakt. Warum?
Ich habe noch nie meinen Mund gehalten, wenn mir etwas ungerecht vorkam. Das passt nicht allen. Als ich im August letzten Jahres mit anderen Aktivisten und Aktivistinnen einen offenen Brief zum Laternenfest veröffentlicht habe, gab es Morddrohungen. Auf dem CSD in Halle bin ich im letzten Jahr mit einer Glasflasche beworfen worden. Ich verbringe wöchentlich mehrere Stunden damit, Hasskommentare, Gewalt- und Morddrohungen zu melden, die unter meinen Videos auftauchen. Ich spreche eben sehr direkt zum Thema AfD, Rechtsextremismus und Feminismus. Dann bin ich auch noch queer und bei den Grünen – das ist das gefundene Feindbild aller Rechtskonservativen. Deswegen stehe ich jetzt mit dem Staatsschutz in engem Kontakt. Ich kandidiere für den Stadtrat der Stadt Halle, da werde ich natürlich auch öffentliche Veranstaltungen organisieren. Ich hab’ keinen Bock drauf, dass es bei meinen Veranstaltungen zu Stress kommt.
Leben Sie in ständiger Angst?
Ich habe keine Angst. Ganz ehrlich: Dass sich irgendwelche fremde Menschen im Internet die Zeit nehmen, mich zu beleidigen, nur weil ich sage, dass die AfD menschenverachtend ist, zeigt doch, dass ich Recht habe, dass sich Menschen davon in ihrer eigenen Menschenfeindlichkeit angegriffen fühlen und dass Rechte keine Argumente haben. Mich zu „deadnamen“, aufs Übelste zu beleidigen oder mir den Tod zu wünschen, ist das erbärmlichste Mittel, das einer Person einfallen muss, wenn sie sonst nichts mehr sagen kann „Natürlich macht es etwas mit mir, wenn ich plötzlich 250.000 Menschen auf Instagram erreiche.“
Wie ist der Alltag konkret, wenn man unter Staatsschutz steht?
m Alltag achte ich auf bestimmte Sicherheitsvorkehrungen, spreche ich mich eng mit Freunden und Freundinnen ab. Ich bin allgemein vorsichtiger. Aber Angst lass’ ich mir nicht machen! Und im Sommer geht’s in die Klinik.
In die Klinik?
Nach der Wahl freue ich mich erst einmal auf die Prides! Juni ist der Pride-Monat, da will ich auf einigen Christopher Street Days Gesicht zeigen. Und dann geht’s in die Klinik. Ich bin jetzt seit fünf Jahren in Therapie, gehe sehr offen mit meiner Depression um und vor allem komme ich richtig gut klar. Aber sich nach der Arbeitsbelastung, die man im Wahlkampf eben hat, keine Auszeit zu nehmen, wäre für mich ungesund. Dazu kommt, dass es natürlich etwas mit mir macht, wenn ich plötzlich 250.000 Menschen auf Instagram erreiche, in der Öffentlichkeit stehe und dann auch noch angefeindet wäre. Auch hier tut es ganz gut, sich mal für ein paar Wochen rauszunehmen – und dann wieder mit voller Power in die politische Arbeit zu starten!
Haben Sie jemals daran gedacht, sich ins Private zurückzuziehen?
Nein. Ich habe schon oft zu Freunden und Freundinnen gesagt, dass ich nicht mehr kann. Aber was ist die Alternative? Dass die Rechten kriegen, was sie wollen? Ein Rückzug ins Private heißt für mich auch, dass eine laute, progressive Stimme verloren geht. Das heißt für mich auch, dass die Rechten ihren Kampf gegen queere, linke Menschen ein Stück weit gewinnen. Diese Genugtuung werden sie von mir nie bekommen.
Was hat es denn mit der Aktion „Zukunft für Halle“ und den entsprechenden T-Shirts auf sich?
„Zukunft für Halle“ ist eine Marke, die ich gemeinsam mit der Designerin Emma Brix ins Leben gerufen habe. Ich wollte was Cooles machen, was anderes. Politiker und Politikerinnen neigen oft dazu, ganz fachlich zu werden, verteilen dann Flyer, und am Ende des Tages fühlen sich viele Menschen doch nicht gehört. Das möchten wir ändern. „Zukunft für Halle“ ist ein länger angelegtes, sozialpolitisches Projekt - und eine Einladung an alle in Halle, selbst aktiv zu werden. Wir werden viele Probleme nicht sofort lösen können, aber wir können über sie reden und schauen, wie wir mehr Menschen in demokratische Prozesse einbinden können. Jetzt möchte ich erst einmal in den Stadtrat kommen. Und dann werden wir gemeinsam sehen, wie es weitergeht. Aber die Kommunalwahl ist definitiv erst der Anfang.
In der Pressemitteilung zu „Zukunft für Halle“ nehmen Sie Bezug auf das Zukunftszentrum. Was haben Sie denn gegen das Zukunftszentrum?
Gar nichts. Ich finde es großartig, dass Halle die Jury überzeugen konnte. Aber mich nervt, dass der Begriff „Zukunft“ jetzt scheinbar nur mit einem Neubau am Hauptbahnhof verbunden wird. Uns ist klar: Zukunft für Halle bedeutet nicht nur die Umgestaltung des Riebeckplatzes. Zukunft für Halle bedeutet auch die TramVerlängerung nach Heide-Nord. Oder auch, dass die Menschen im Südpark nicht mehr im Schimmel sitzen müssen, nur weil ihre Hausverwaltung die Nebenkosten nicht an die EVH abführt. Ich glaube, das Zukunftszentrum ist eine riesige Chance für uns. Aber ich will auch dafür sorgen, dass wir die Menschen, die hier leben, nicht aus den Augen verlieren.
Text: Max Feller