Alexander Osang, 21. April, Literaturhaus, 19 Uhr, literaturhaus-halle.de
Der Journalist und Schriftsteller Alexander Osang ist mehrfacher Egon-Erwin-Kisch-Preisträger. Warum er diese Auszeichnung verdient hat, zeigt auch sein neues Buch „Das letzte Einhorn – Menschen eines Jahrzehnts“. Im April kommt Osang ins Literaturhaus
Wie beendet ein Kapitän der Nationalmannschaft seine Karriere? Welche Gefühlswelten eröffnen sich, wenn ein enger Freund 20 Jahre nach dem Mauerfall als IM der Stasi enttarnt wird? Was macht ein Punker bei Pegida? Das sind so typische Fragen für Alexander Osang, geboren 1962 in Ost-Berlin. Also besucht er die Menschen, von Frauke Petry über Leander Haußmann bis zu Michael Ballack.
Das neue Buch „Das letzte Einhorn – Menschen eines Jahrzehnts“, erschienen im Ch.Links- Verlag, versammelt Porträts aus den Jahren 2010 bis 2020. Osang sagt: „Alles, was ich liefern kann, ist meine Sicht auf die Person, die ich beschreibe. Die Menschen, die ich hier porträtiere, haben ganz verschiedene Leben und Temperamente, aber sie scheinen mir allein in der Welt zu sein. Wie die Letzten ihrer Art.“
Finanz- und Medienkrise, Corona, rechtspopulistische Parteien, Afghanistan, Fukushima und Terrorismus. Wo sind die Ursprünge jener Veränderungen, die uns noch lange beschäftigen werden?
Nehmen wir das Porträt über Frauke Petry, ehemals AfD. Osang besuchte auch ihre ehemalige Schule im Ruhrgebiet. Und dann hält er fest: „Man hat das Gefühl, man folge den Spuren einer Kindermörderin, wenn man Petrys Vergangenheit besucht. Von uns hat sie das nicht, rufen die Leute.“
Assoziative Charakterisierungen, die man nicht vergisst. Osang schreibt suggestiv. Zu Petry heißt es: „Sie lacht wieder, ein lautes, klirrendes Lachen. Ihre weit auseinanderstehenden Augen erinnern an die von Sid, dem liebenswürdigen Faultier aus „Ice Age“. Später wird ergänzt: „In Talkshows sieht sie sich oft einer Übermacht von politischen Gegnern ausgeliefert. Sie redet dann so schnell, als fürchtete sie zu ertrinken.“
Es geht nicht nur darum, was die Personen zu sagen haben, wie sie sich inszenieren. Es geht auch um Gerüche und Geräusche, um Atmosphäre, um skurrile Widersprüche und konkrete Sehnsüchte. So offenbart sich eine Sensibilität, die auffällt, weil sie inmitten reißerischer Zuspitzungen selten zu finden ist.
Der Mensch mitten in den Verhältnissen, Wertungen sind dem Leser überlassen. Von Jürgen Todenhöfer über Heiko Maas bis zum Chef des Jobcenters Brandenburg: Diese sinnlichen Porträts vervollständigen den kalten historischen Blick. Nur so können Umbrüche verstanden werden. Nur so können wir die Welt und uns verstehen.
Text: Mathias Schulze