Der einsame Westen, ab 24. März, Anhaltisches Theater Dessau, Altes Theater/Studio, alle Termine: www.anhaltisches-theater.de
In einem Dorf der Toten sitzen zwei Brüder, sie führen einen lange unausgesprochenen Krieg. Das Anhaltische Theater bringt „Der einsame Westen“ von Martin McDonagh auf die Bühne. Das FRIZZ-Magazin hat beim Regisseur Marlon Tarnow nachgefragt
Hallo Marlon Tarnow, in der Ankündigung ist zu lesen, dass menschliche Konflikte eine schlimmere Zer-störungskraft haben können, als die Zombie-Apokalypse. Ist der Mensch ein Konfliktwesen oder ein Produkt der gesellschaftlichen Verhältnisse?
Wir sind Produkte der sozio- ökonomischen Verhältnisse, als Mensch haben wir aber auch eine archaische Seite, die sich gegen jegliche Spielregeln des Miteinanders wehren möchte. Im Stück kommt die Frage auf, inwiefern dieses Verhalten der Figuren symptomatisch für unsere Zeit ist.
Sie wollen McDonaghs Text „vor dem Hintergrund jener Welt, in der wir heute leben“ neu lesen.
Als das Stück 1997 in Galway in Irland uraufgeführt wurde, ging gerade eine Autobombe der IRA in Manchester hoch. Die dramatische Grundsituation, dass sich zwei Brüder abschlachten, wurde von den damaligen Zuschauern unmittelbar mit dem Nordirland-Konflikt verbunden. Das Dorf, das in dem Stück charakterisiert wird, erweckt den Eindruck, dass die Welt untergeht: Menschen ertränken sich in Seen, bringen sich gegenseitig um. Ich fand es spannend, das Stück in eine Art post-apokalyptische Zeit zu versetzen. Damit bekommt der nicht aufhörende Krieg zwischen den Brüdern eine andere Dimension. Und er steht gleichzeitig für eine globalere Krisensituation.
Welcher Ästhetik fühlen Sie sich verpflichtet?
Einem Kind, das am Samstagmorgen mit Cornflakes vor dem Fernseher sitzt.
Sie verlassen bald das Haus. Warum?
Dessau ist eine wirklich besondere Stadt, vor allem wenn man sich traut, Sachen jenseits des Tourismus zu entdecken. Es gibt eine tolle unberührte Natur und schöne verlassene Orte, die an die Industrievergangenheit von Dessau erinnern. Bevor ich in Dessau angefangen habe als Regieassistent zu arbeiten, habe ich lange in der Schweiz gelebt. Jetzt hat sich eine Gelegenheit ergeben, dass ich zurückgehen kann. Die Schweiz ist meine Heimat geworden, in den zwei Jahren in Dessau habe ich sie sehr vermisst.
Welche prägenden Erfahrungen nehmen Sie mit?
Dass man seine künstlerische Vision konsequent durchziehen sollte und ihr vertrauen kann. Den einen oder anderen Künstler habe ich erwischt, sich selber zu zensieren: Aus Angst, das Publikum zu verschrecken oder unbeliebt zu sein. Im Stadttheater-Betrieb sollte mehr Mut herrschen, zu scheitern. Der Kunst würde es gut tun.
Text: Mathias Schulze