Die Frankfurter Küche. Margarete Schütte-Lihotzky, Kabinettausstellung in der Kunsthalle der Galerie Talstrasse, Talstraße 23, 06120 Halle, verlängert bis 16.2., Di–Fr 14–19, Sa/So 14–18 Uhr, Info: www.kunstverein-talstrasse.de
Gute Nachrichten aus der halleschen Talstraße – die beiden laufenden Ausstellungen in der dortigen Kunsthalle wie im Kabinett werden um jeweils eine Woche verlängert und bis einschließlich 16. Februar gezeigt. Während in den Haupträumen die große Schau „Das Frauenbild der 1920er Jahre“ in die Zusatzrunde geht, ist im Kabinett ein Designklassiker der Moderne zu bewundern
Unter dem zugleich anheimelnden Titel „Die Frankfurter Küche“ wird die Wiener Architektin und Designerin Margarete Schütte-Lihotzky (1897–2000) gewürdigt. Die Österreicherin gilt als Schöpferin bahnbrechender Neuerungen und ist mit ihrem Entwurf der Frankfurter Küche in die Designgeschichte eingegangen. Der Prototyp der ersten modernen Einbauküche wurde 1926 von Ernst May im Rahmen des Projekts „Neues Frankfurt“ initiiert. Aufgrund steigender Bevölkerungszahlen und der städtischen Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg ging es bei dem Programm darum, günstigen und effektiv genutzten Wohnraum mit einer einfachen, preiswerten Ausstattung für eine Vielzahl von Menschen zu schaffen. Mit dem Ziel eines besseren Lebens für alle steht die Frankfurter Küche im Kontext der vom Werkbund und Bauhaus geprägten Idee des Neuen Lebens und des Neuen Menschen und sollte zum Ausgleich der Klassengegensätze beitragen. Auch die Emanzipationsbestrebung der Frau, die zunehmend Berufen nachging, spielte bei den Überlegungen zur Küche eine wichtige Rolle. Mit der Rationalisierung sämtlicher Arbeitsund Handlungsabläufe sollte die Küchenarbeit erleichtert werden, auch wenn man die Zuweisung des Bereichs an das weibliche Geschlecht zunächst einmal nicht in Frage stellte. Die Entwicklung eines standardisierten Modulsystems (Abb., Leihgabe Bröhan-Museum Berlin, Foto: Kunstverein „Talstrasse“) ermöglichte eine serielle Fertigung und die Senkung der Herstellungskosten. Bis 1930 wurde die Küche zehntausendfach in den verschiedenen Frankfurter Siedlungen realisiert, wobei es trotz ihrer Standardisierung nicht die eine Frankfurter Küche gegeben haben soll. Die Normküche mit rechteckigem Grundriss wurde 1927 von Schütte-Lihotzky in einem Artikel vorgestellt und erhielt demnach alles, was heutige Einbauküchen praktisch, schön und komplett macht. In gewisser Hinsicht wird bis heute nach dem Modulsystem gebaut und konzipiert. Schütte-Lihotzky, die auf ein bewegtes Leben als seinerzeit einzige Absolventin der Architektur an der Wiener Kunstgewerbeschule, im Widerstand und hochgeehrt in der Zeit nach 1945 zurückblicken konnte, war so ihrer Zeit weit voraus.
Text: André Schinkel